Gelsenkirchen. . Das Verwaltungsgericht hat für Bereiche Gelsenkirchens Diesel-Fahrverbote verhängt. Die Stadt setzt auf andere Maßnahmen. Wir testen die Umleitungen.
Fahrverbote für Pkw mit Dieselmotor werden in Gelsenkirchen Tausende Autofahrer treffen. Das Verwaltungsgericht hat am Donnerstag über die Klage der Deutschen Umwelthilfe(DUH) entschieden. Vor allem die Nord-Süd-Achse der Stadt ist von Verboten bedroht – und mit ihr Pendler, Betriebe und Anwohner.
Luftverschmutzung an der Kurt-Schumacher-Straße
Wer sich innerstädtisch von der Altstadt nach Buer oder zurück bewegt, fährt über die Kurt-Schumacher-Straße (KSS). Rund fünf Kilometer liegen so zwischen Musiktheater und Veltins-Arena.
Aber die Luft dort ist schmutzig: Seit Jahren meldet die Messstation des Landesumweltamts (Lanuv) an Gelsenkirchens Hauptverkehrsader Überschreitungen des Stickstoffdioxidgrenzwertes (NO2). 46 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft waren es 2017 im Schnitt – sechs mehr, als erlaubt. Tendenz in den letzten Jahren allerdings sinkend.
Denn die Stadt war nicht untätig. Geschwindigkeitsbegrenzungen, Fahrverbote für Lkw, mehr Grün und nicht zuletzt die bessere Taktung des ÖPNV wirkten der Luftverschmutzung entgegen. „Bis 2020 werden wir die Werte einhalten“, gibt Stadtsprecher Martin Schulmann sich am Mittwoch optimistisch. Der DUH reicht das nicht aus, sie reichte Klage ein. „Weil die Werte seit Jahren deutlich überschritten werden“, wie Remo Klinger, der zuständige Anwalt der DUH, mitteilt. „Andere Maßnahmen sehen wir nicht.“
Uniper-Werk setzte 2998 Tonnen Stickoxid frei
Dabei geht aus Lanuv-Analysen auch hervor, dass es deutlich größere Schadstoffquellen neben Pkw gibt. Knapp 700 Tonnen Stickoxid stießen Kraftfahrzeuge 2016 im Stadtgebiet aus. Schiffs- und Schienenverkehr produzierten zusammen etwa 60 Tonnen. Mit fast 5900 Tonnen der größte Emittent war die Industrie. Allein das Uniper-Werk in Scholven setzte 2998 Tonnen Stickoxid frei.
Das sogenannte regionale Hintergrundniveau, also die umweltbedingte Belastung, war nach Lanuv-Berechnungen damit für 46 Prozent der NO2-Konzentration verantwortlich. Pkw produzierten 25 Prozent des Schmutzes an der KSS. Dennoch gelten Fahrverbote für Euro 4 und Euro 5 als gangbarster Weg im Kampf gegen Luftverschmutzung.
Stadtspitze schweigt bis nach Urteil
Nach dem Gerichtsbeschluss der verhängten Fahrverbote für Gelsenkirchen, müssten Dieselfahrer bald wohl auf Umwege ausweichen. Die sind deutlich weiter und zeitintensiver, auch weil die Uferstraße noch gesperrt ist. Auf der empfohlenen Umleitung über die Grothus- und Flurstraße ist die Fahrstrecke doppelt so weit.
Die Alternativroute über Willy-Brandt-Allee, Münster- und Bismarckstraße ist etwa 2,5 Kilometer länger. Fahrzeit auf beiden Strecken: Rund 20 Minuten ohne Stau. Eine Verlagerung der Verkehrsströme auf Ausweichrouten und Nebenstraßen würde jedoch sicher zu vollen Straßen führen, ist sich Schulmann sicher.
Bei 38.000 zugelassenen Dieselfahrzeugen in Gelsenkirchen ist das Ausmaß denkbar. Zu diesen Szenarien schwieg die Stadtspitze. Sie wollte erst das Urteil abwarten.
Auch interessant
Ingrid Remmers, verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, erwartete die Entscheidung mit gemischten Gefühlen. „Natürlich will niemand Fahrverbote. Das straft die falschen Leute. Aber die Klagen sind das einzige Mittel, die Bundesregierung zum Handeln zu treiben.“ Sie sieht die Autohersteller in der Pflicht, nicht die Fahrer. Doch die könnten schon vom Fahrverbot getroffen werden, während Politik und Industrie noch streiten.
>> INFO: Bundesregierung will Grenzwert erhöhen <<
Der Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft ist unter Experten umstritten, wird immer wieder als zu streng eingestuft. Als Vergleich: Am Arbeitsplatz sind Werte von bis zu 950 Mikrogramm zulässig.
Die Bundesregierung wird über eine Änderung des Imissionsschutzgesetz entscheiden.
- Die WAZ Gelsenkirchen ist auch auf Facebook.