Ruhrgebiet. . Betroffenen Familien mit Dieselauto fehlt oft das Geld für einen neuen Wagen. Viele hoffen, dass nicht kontrolliert wird.
Sie können Essen nicht einfach streichen von der Landkarte, sie wohnen schließlich da! Oder arbeiten in der Stadt, der das bislang großflächigste aller Dieselfahrverbote droht. Und jetzt? Abwarten und weiterfahren, sagen Betroffene und müssen sich doch mühen, ruhig zu bleiben.
Denn eigentlich „bin ich auf dem Baum“, sagt ein dreifacher Vater (50) aus Essen. „Beide Familienautos für die Tonne.“ In gutem Glauben „und im Vertrauen auf die Hersteller“ hatte er sie gekauft, es ist ein paar Jahre her, aber beide hätten auch noch ein paar Jahre „gemusst“. Zwei neue Wagen zu kaufen für ihn, der täglich von Essen nach Herne fährt über die A 40, für sie, die zum Dienst von einem „freien“ Stadtteil in einen gesperrten muss: „undenkbar“.
So geht es auch Familie Gebler aus dem Südviertel mit ihrem Kombi, vor vier Jahren gebraucht erworben. „Er hat eine grüne Plakette, wir dachten, das Auto ist sauber“, sagt Kim Gebler (32). „Und jetzt sollen wir mal eben ein neues Auto bezahlen?“ Die Kita-Gebühren für die beiden Kleinkinder sind einer der größten Posten in ihrem Haushalt. „Wir sind echt sauer.“
Was aber tun? „Wenn überhaupt kontrolliert wird, zahle ich eben den Strafzettel“, sagt ein 50-Jähriger. Ziviler Ungehorsam, allenthalben zu hören, ist für viele die einzig denkbare Lösung. „Wollen die mich auf der Autobahn anhalten?“, fragt einer. Im Wohngebiet, wo sie schon Falschparkern nicht nachstellen? Ein anderer fürchtet indes um den nachbarschaftlichen Frieden: Was, wenn der eine den anderen anschwärzt, weil er einen Diesel ins Viertel fuhr?
„Großer Humbug, nicht realisierbar“, sagt der Fotograf Jochen Tack, der sich „Gedanken macht, aber keine Sorgen“. Noch amüsiert den Besitzer eines 5er-Diesels die Vorstellung, demnächst mehrere kiloschwere Taschen mit Kameras, Blitzanlage, Computer plus mehrere Stative zu größeren Produktionen zu schleppen. Aber natürlich ist der Ernstfall: „So kann man keinen Job mehr erledigen.“ Wenn man die Luft reiner machen wolle, findet Tack, dann so, „dass das Leben noch funktioniert“.
Aber da ist die ältere Dame, die noch einmal umstieg auf ein neues Auto, das nun auch „nur“ Euro 5 hat. Da ist der 45-Jährige aus den Niederlanden, der für eine Fernbeziehung alle zwei Wochen rund 600 Kilometer nach Essen fährt – und dafür erst kürzlich einen gebrauchten Diesel anschaffte. Und da ist die Lehrerin Katrin, die sich hin- und hergerissen fühlt: Sie kann die Fahrverbotszone auf ihrem Schulweg von Mülheim-Styrum nach Essen-Steele nicht umfahren, kann nicht verzichten auf Familienkutsche und Eltern-Taxi. Und doch weiß die 42-Jährige als „Umweltschützerin durch und durch“, dass sie sich ein neues Auto kaufen müsste. „Aber wann, das hätte ich gern selbst entschieden.“