Gelsenkirchen. . Katerstimmung bei CDU und SPD, Jubelstimmung bei den Grünen: Am Tag nach der Hessen-Wahl nennen Politiker aus Gelsenkirchen ihre Einschätzungen.
Was kommt nach Bayern- und Hessenwahl? Was wird aus der großen Koalition, was aus den Wahlverlierern CDU und SPD, was aus der Kanzlerin? In Gelsenkirchen und Berlin gibt es dazu durchaus klare Ansagen. Der Gelsenkirchener CDU-Kreisvorsitzende Sascha Kurth sieht den Verzicht von Angela Merkel auf den Parteivorsitz als „logischen Schritt nach dem Rumoren an der Parteibasis seit einiger Zeit“. Eine personelle Erneuerung sei „dringend notwendig“. Die Große Koalition habe „gute Arbeit geleistet, das Problem ist die Außenwirkung“. Die Union müsse durch personelle Erneuerung „den inhaltlichen Kurs stärken, über Debatten klären, welche Antworten wir auf neue Fragen geben wollen.“ Für die Nachfolge im Parteivorsitz wünscht Kurth sich jemanden „ohne Stallgeruch, der nicht für ein ‘Weiter so’ steht“.
Wittke (CDU): Anspruch muss 40 Prozent plus sein
„Absolut honorig“ findet Gelsenkirchens CDU-MdB Oliver Wittke das Verhalten der Kanzlerin. Ihre großen Leistungen, die Deutschland großes Ansehen in der Welt gebracht hätten, würden dadurch nicht geschmälert. Wer ihr folgen sollte, darüber mag er nicht spekulieren. „Bisher wabern mit Ausnahme der Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ja nur Namen durch den Raum. Wichtig ist, dass die Nachfolgerin die ganze Bandbreite der Union repräsentiert, die ganze Partei hinter sich vereint. Das war bei Helmut Kohl erfolgreich und auch bei Angela Merkel“, so Wittke. „Unser Anspruch müssen Wahlergebnisse von 40 Prozent plus sein. Die hatte Annegret Kamp-Karrenbauer übrigens bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin im Saarland.“ Die Situation der CDU sei besser als die der SPD. „Wir haben eine Krise. Die SPD hat ein strukturelles Problem. Weil die soziale Frage heute beantwortet ist.“
Töns (SPD): Die Ernüchterung ist groß
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Töns ist Montag auf dem Weg nach London, zum parlamentarischen Austausch mit Labour-Abgeordneten. Der Brexit ist dort sein Thema, doch die Berliner Realität reist mit. „Es lässt sich nichts mehr schönreden. Die Ernüchterung ist groß, was die große Koalition angeht. Wir haben gute Dinge auf den Weg gebracht, aber sach- und fachpolitisch kommt das nicht mehr an. Wir werden zerrieben“, glaubt der SPD-Unterbezirksvorsitzende und fordert: „Wir brauchen dringend einen Klärungsprozess bei Kernthemen, ob an dessen Ende noch die Koalition steht, ist eine Frage, die ich heute nicht beantworten kann. Auf jeden Fall haben wir nicht die Zeit, uns das noch ein Jahr anzuschauen, zumal die Zeit nach Merkel jetzt schon begonnen hat und die CDU sich konservativer aufstellt.“
„Das Kind mit dem Bade ausschütten, würde ich im Moment nicht“, räumt SPD-Fraktionschef Klaus Haertel ein. Für ihn waren die letzten Wahlergebnisse „bestürzend“ und „spiegelten durchaus die Schwächen in Berlin wider:“
Mihalic (Grüne): Respekt für Merkels Entscheidung
Die Wahl in Hessen zeige ebenso wie die in Bayern, „dass die Menschen mit der Arbeit von Union und SPD auf Bundesebene unzufrieden sind“, sagt die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Irene Mihalic. „Angela Merkel hat bereits Konsequenzen gezogen und erklärt, nicht mehr für den Parteivorsitz und bei der nächsten Bundestagswahl auch nicht mehr als Kanzlerkandidatin antreten zu wollen. Für diese Entscheidung gebührt ihr Respekt.“ Das gute Ergebnis ihrer Partei bei der Hessenwahl kommentiert die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen mit den Worten: „Das zeigt ganz deutlich, dass die Arbeit der letzten fünf Jahre sehr erfolgreich war. Die Wählerinnen und Wähler wollen, dass die Grünen ihren beharrlichen und verlässlichen Kurs der Ökologie, der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit fortsetzen.“ Damit, so Mihalic, sei auch ein klarer Regierungsauftrag verbunden.
Ähnlich äußert sich auch der grüne Fraktionschef, Peter Tertocha: „Knapp 20 Prozent und zweitstärkste Kraft in Hessen – das Ergebnis ist eine Bestätigung der hervorragenden Politik der hessischen Grünen in den letzten Jahren.“ Er geht davon aus, „dass dieses Ergebnis auch einen positiven Einfluss auf die die Grünen-Ergebnisse bei den nächsten Wahlen hat“.
Cichos (FDP): Merkel müsste ihr Amt jetzt abgeben
Susanne Cichos, sachkundige Bürgerin der FDP, sagt, dass CDU und SPD in Hessen abgewatscht wurden, sei „die Quittung in Richtung Berlin. Da muss sich jetzt was ändern.“Für einen echten Neuanfang, so Cichos, müsste Angela Merkel das Kanzleramt jetzt abgeben und nicht erst bei der nächsten Bundestagswahl auf die Kandidatur verzichten.