Gelsenkirchen. . Die Nachbarn rund um Mesut Özils alten Bolzplatz sind überzeugt: Fußball und Politik gehören getrennt. Auch die Stadt bekennt sich zu Özil.
Am „Affenkäfig“, dem Bolzplatz an der Olgastraße in Bulmke, an dem Mesut Özil die ersten Bälle kickte, ranken spärliche Wildkräuter empor, der staubige Platz ist leer. Mohamed (13) erklärt: „Wir spielen heute erst später. Weil es so heiß ist.“ Auch heute noch treffen sich hier jeden Tag die Jungs aus der Nachbarschaft zum Kicken. Aber Politik spielt da keine Rolle, nicht nur für den gebürtigen Libyer Mohamed.
Karl-Heinz Hassmann (73) gehört das Haus neben dem Bolzplatz, auch schon zu Zeiten, als Özil hier mitgespielt hat. „Und wenn der Bolzplatz zu war, haben die bei uns auf dem Hof gespielt. Und die Frauen haben geschimpft, weil die Wäsche draußen immer dreckig wurde“, erinnert sich Hassmann. Seyna Ciftci bestätigt das. Ihr Sohn, Basas Ciftci (31), hat als Kind mit Mesut Özil gespielt, auch auf dem Hof. Heute kann sie gut verstehen, dass Özil nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft spielen mag.
„Die suchen jetzt einfach einen Sündenbock“
Karl-Heinz Hassmann findet, dass das Erdogan-Foto allein Özil etwas angeht, auch wenn das Erdogan im Wahlkampf genutzt haben dürfte. „Die suchen jetzt einfach einen Sündenbock, da passt das mit Özil gerade gut.“ Jörg Paillart steht neben ihm, im Deutschland-Trikot. Das Foto habe nichts mit Fußball zu tun, findet auch er. Zumal er sich vorstellen kann, dass Özil zu dem Foto von türkischer Seite gedrängt worden ist. „So oder so: Das ist Privatsache.“
Georg Altenkamp (70) hat Mesut Özil noch als Schulleiter am Berger Feld erlebt. „Ich bin wütend wegen des Schadens, der entstanden ist, auch für die Schule. Es ist fast schon tragisch, wie Özils Leistungen jetzt mit dem Bewusstsein der ‘Political Correctness“ zerpflückt werden. Seine Bikulturalität wird völlig übersehen“, klagt er. „Ich habe mit Erdogan gar nichts am Hut“, betont Altenkamp, „aber trotzdem pflege ich bewusst weiter Freundschaften in der Türkei.“
Auch drei Geschwister an der Schule
Mit der Gesamtschule Berger Feld ist der 29-jährige Özil besonders verbunden. Auch seine drei Geschwister – zwei jüngere Schwestern und der ältere Bruder Mutlu, der ihn auch managte – haben hier ihre mittlere Reife, eine Schwester Abitur gemacht. Und tatsächlich hat er seine Schule nie vergessen.
Stadt steht zu Özil als Kind der Stadt Gelsenkirchen
Und die Stadt Gelsenkirchen? „Mesut Özil ist und bleibt ein Kind der Region und Stadt Gelsenkirchen und er ist hier jederzeit willkommen. Unsere Stadt ist weltoffen und hat eine lange Erfahrung mit Integration“, betont Schuldezernentin Annette Berg. Im weiteren erklärt sie: „Gerade ist der Stadt Gelsenkirchen in einem Wochenmagazin bescheinigt worden, dass sie zu den Kommunen gehört, in der eine soziale Durchmischung gelungen ist. Die Stadt bietet vielen Nationen ein Zuhause. Dazu stehen wir und das fördern wir. Von der Richtigkeit dieser Haltung sind wir fest überzeugt. In diesem Zusammenhang stellen wir uns jeder Diskussion, auch wenn sie von rechtspopulistischer Seite geführt wird.“
Schulleitung spricht von reiner Terminverschiebung
Der Gesamtschule Berger Feld bescheinigt sie eine multikulturelle Prägung, verweist auf viele internationale Partnerschaften. Auch an der Schule sei Mesut Özil ein gern gesehener Gast und Förderer.
Die Schulleitung habe ihr versichert, dass man Özil nicht ausgeladen, sondern seinem Management einen anderen Termin als den in den Schulferien anvisierten Tag für einen Fototermin vorgeschlagen habe.
Termin im August
Gegenüber der WAZ hatte die Leiterin sich zum Fußballer Özil bekannt, aber auch eingeräumt, dass es Probleme bei der Terminabsprache im Schulleitungsteam im Rahmen dieses Fototermins gegeben haben könnte. Sie habe mit dem Management von Özil in dem Telefonat einen Termin im August/September anvisiert. Angefragt war ein Termin rund um die WM-Nominierung – und die lief kurz nach der Veröffentlichung des Erdogan-Fotos. Aus anderer Quelle hatte die WAZ von Terminangeboten vor den Ferien erfahren.
Begrüßt hat den Rückzug von Mesut Özil aus der Nationalmannschaft der Gelsenkirchener Kreisverband der AfD. Sein Rücktrittsschreiben zeige „seine Distanz zu Deutschland und unseren Werten,“ so AfD-MdB Jörg Schneider.
>>> Info: Integrationspreis für Özil-Projekt vom DFB
Gleich drei Fußball-Projekte zur Förderung der Integration von Kindern mit Migrationshintergrund laufen derzeit an der Gesamtschule Berger Feld. Internationalität gehört zum Profil.
Beim Straßenfußballprojekt mit Moderatorenausbildung von Schülern ist Özil Pate und Mit-Finanzier. Der DFB selbst erkannte dem Projekt Platz zwei beim Integrationspreis 2017 zu.