Düsseldorf. Die Türkei weckt laut einer Studie zunehmend Heimatgefühle unter „Deutsch-Türken“. Aber auch die Verbundenheit mit Deutschland ist groß .

Der Wirbel um Mesut Özil und seine Abrechnung mit dem DFB ist offenbar ein Musterbeispiel für die Befindlichkeiten vieler Türkeistämmiger in NRW. Sie haben den Eindruck, dass bei ihnen mit zweierlei Maß gemessen werde. „Der französische Nationalspieler Karim Benzema hat eine ähnliche Aussage gemacht wie Özil: Treffe ich, bin ich Franzose. Treffe ich nicht, bin ich Araber“, sagte Prof. Haci-Halil Uslucan, Leiter des Zentrums für Türkeistudien in Essen, bei der Vorstellung einer aktuellen Befragung zur Identifikation türkeistämmiger Zugewanderter. Diese Befindlichkeiten, das Sich-Zurückgesetzt-Fühlen, die Botschaft „Du bist keiner von uns“ mache es dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP leicht, diese Migranten zu umwerben. Sie sendeten erfolgreich das Signal „Wir kümmern uns um euch.“

Türkei-Heimatgefühl bei Männern stärker

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Das zentrale Ergebnis der repräsentativen Umfrage unter „Deutsch-Türken“: Die meisten fühlen sich Deutschland und der Türkei zugehörig, es gibt allerdings einen Trend zu mehr Heimatverbundenheit mit der Türkei. Bei Männern ist dieses Türkei-Heimatgefühl tendenziell stärker ausgeprägt als bei Frauen, auch in der dritten Zuwanderer-Generation weckt die Türkei noch starke Heimatgefühle. NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) beschrieb gestern eine Reihe von Ereignissen, die diese Entwicklung verstärkten: Das gezielte Umwerben von Türkeistämmigen durch Erdogan seit 2008; das Buch von Thilo Sarrazin mit seiner herabwürdigenden Sprache („kleine Kopftuchmädchen“), das die Identifikation mit Deutschland schwer gestört habe; die NSU-Mordserie und im Zusammenhang damit die falschen Verdächtigungen der Opferfamilien und die Verwendung des Begriffs „Dönermorde“.

Dieser „Identifikationsbruch“ vieler Türkeistämmiger wurde laut Staatssekretärin Serap Güler (CDU) noch verstärkt, als Angela Merkel und Martin Schulz beim TV-Duell vor der Bundestagswahl eine halbe Stunde lang um das Thema Türkei kreisten. „Da waren viele irritiert und fragten: Habt ihr keine anderen Sorgen?“, so Güler. Die erste Zuwanderer-Generation sei Deutschland extrem verbunden. „Sie sind dem Land, das ihnen diese Chance gegeben hat, unendlich dankbar“, erklärte Güler. Die zweite und die dritte Generation sähen dies aber nüchterner. „Sie wollen selbstverständlich die gleichen Chancen wie alle anderen.“ Und ausgerechnet diese Nachfolgegeneration mache Erfahrungen mit Alltagdiskriminierung. Erdogan habe hier mit seiner Propaganda leichtes Spiel.

Hürden für Einbürgerung senken

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NRW reagiert auf den Trend zur Abkehr von der Heimat Deutschland mit einer Kampagne. Dazu gehört eine leichtere Einbürgerung. Als Wertschätzung für die erste Zuwanderer-Generation will das Land die Hürden für eine Einbürgerung senken und zum Beispiel auf einen verpflichtenden Sprachkurs verzichten. Man wolle bei diesen Menschen auch den „Doppelpass“ akzeptieren. Die Regierung möchte zudem die Fristen für eine Einbürgerung verkürzen. Die Ausländerbehörden sollen keine „Abwehrbehörden“ sein, sondern Einbürgerungen „proaktiv“ prüfen, sagte Minister Stamp.