Gelsenkirchen. An den Evangelischen Kliniken wird jetzt bei minimalinvasiven Operationen mit 3D-Technik gearbeitet. Chirurgen können damit noch präziser arbeiten.
Im Operationssaal der Evangelischen Kliniken herrscht jetzt Kinoatmosphäre. Rein optisch, versteht sich. Die Chirurgen tragen bei minimalinvasiven Eingriffen 3D-Brillen, ihre Arbeit im Inneren der Patienten wird dreidimensional über hochauflösende HD-Technik auf einem großen Monitor neben dem OP-Tisch vergrößert nachvollziehbar.
Mit einer Mini-Kamera, die über ein kleines Loch in den Körper des Patienten geführt wird, zu arbeiten ist üblich bei laparaskopischen Eingriffen. Eine bewährte Operationstechnik ohne große Schnitte, auch „Schlüssellochtechnik“ genannt. Generell verkürzt diese Methode die Liegezeit der Patienten erheblich, weil die körperliche Belastung geringer ist.
Zwei Kameras filmen und senden dabei parallel
Neu ist jedoch die Unterstützung durch 3D-Technik dank zweier parallel filmender und sendender Kameras, Monitore und Brillen. Rund 200 Operationen haben Dr. Hubertus Nottberg und sein Team bereits damit durchgeführt. Erheblich genauer kann damit jede Faser abgegrenzt, jeder Stich noch präziser gesetzt werden. Und weil die Positionen und Winkel der Organe – vor allem im engen Darmbereich – soviel präziser erkennbar sind, ermöglicht die 3D-Technik auch minimalinvasive Eingriffe bei Erkrankungen, bei denen bislang eine offene Operation nötig war. Bei Enddarmkrebs etwa und bei Darmentleerungsstörungen aufgrund von Einklemmungen. Nach sechs bis acht Tagen können die Patienten dank dieser Technik nach Hause gehen. Bei einem großen Schnitt wären es bis zu 18 Tage. „Als Operateur habe ich das Gefühl, zu Fuß durch den Bauch zu gehen“, schwärmt Dr. Nottberg von 3D.
Einschnitte sind kleiner als einen Zentimeter
Heute steht die Entfernung einer chronisch entzündeten Gallenblase auf dem Plan. Insgesamt vier Löcher mit einem Einschnitt von jeweils weniger als einem Zentimeter braucht es dafür. Unterhalb des Bauchnabels wird der Schlauch mit der 3D-Kamera eingeführt. Sobald sie „sitzt“, kann alles im Bauchinneren verfolgt werden. Das feine Skalpell etwa, das den Weg für den zweiten Schlauch freimacht. Durch den zweiten Schlauch wird eine Zange geführt, mit der der zweite Mann am Tisch – heute Oberarzt Thorsten Liesemann – bei Bedarf etwa Organe anhebt, um Sicht und Zugang zu verbessern.
Gewinn für Patienten und Chirurgen
Durch den dritten und vierten Schlauch gehen Scheren und Klammergeräte, mit denen Chefarzt Dr. Hubertus Nottberg arbeitet. Millimeterweise tastet er sich an die Gallenblase heran, schneidet behutsam den Weg frei, bindet mit winzigsten Titan-Klemmen Gefäße ab, die zur Leber führen.
Selbst für den Laien – mit 3D-Brille – ist dank Technik mühelos erkennbar, wie die Organe liegen, wie rund der Leberlappen ist und wo der Herzschlag der Patientin sichtbar wird. Sobald die Gallenblase komplett abgebunden ist, wird ein kleiner Beutel aus Fallschirmseide eingeführt, die Blase darin gesichert, während der Operator mit Hilfe von Gasen und Hitze dafür sorgt, dass keine Bakterien der dauerentzündeten Gallenblase die Leber schädigen. Noch spülen, absaugen und den Beutel mit der Gallenblase entfernen, die Einstichstellen versorgen: Und die Operation ist beendet. Gut 35 Minuten hat der Eingriff gedauert.
Dr. Nottberg begutachtet das entnommene Organ mit der bräunlichen Flüssigkeit, das in der Tat wie eine Blase platzt, als er es anschneidet: „Die Gallenblase ist ein Relikt der Steinzeit. Sie ist heute mühelos verzichtbar.“ Im Gegensatz zur 3D-Technik, auf die der Chefarzt der Chirurgie nicht mehr verzichten möchte. Warum nicht alle Chirurgen damit arbeiteten? „Nicht alle Menschen können damit dreidimensional sehen. Das ist sicher ein Grund“, vermutet Nottberg, für den das System allerdings eindeutig einen Gewinn für Chirurg und Patient bedeutet.
3D-Laparaskopie wird bisher nur an Evangelischen Kliniken eingesetzt
n Gelsenkirchen sind die Evangelischen Kliniken bisher das einzige Haus, das mit 3D-Laparaskopieturm arbeitet.
Nutzbar ist die Laparaskopie-Technik unter anderem beim Blinddarm, Leistenbruch, vielen Hernien (Gefäßdurchbrüche) bis hin zur Entfernung von Metastasen in bestimmten Fällen.