Gelsenkirchen-Resse. . Das Weiterbildungskolleg will Integration über den Unterricht hinaus. In Zusammenarbeit mit der Awo wurden erste Paten an der Schule gefunden.
- Am Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe gibt es seit Mittwoch ganz offiziell die ersten Flüchtlingspaten
- Mit Hilfe der Awo und ihrer Patenschaftkoordinatorin Brigitte Becker wurde das Projekt angeschoben
- Studierende betrachten die Aufgabe als ein Geben und Nehmen, weil auch sie davon profitieren
Das Patenschaftsprojekt der Arbeiterwohlfahrt (Awo) hat eine neue Marke geknackt und die Zahl aktiver Flüchtlingspaten am Mittwoch mit einem Schlag von 191 auf 201 erhöht. Und die nächsten Alltagsbegleiter für junge Geflüchtete stehen bereits auf der Warteliste... Mit dem Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe beziehungsweise dessen Schülervertretung (SV) hat erstmals eine Schule offiziell die Patenschaftserklärung unterzeichnet.
Integration in die Schulgemeinschaft
Damit hat auch die Suche nach Möglichkeiten, Patenschaften für geflüchtete Studierende zu schmieden, ein Ende. „Das war nicht einfach“, räumte Schulleiter Günter Jahn ein. Wie einfach dagegen die Erkenntnis, dass Sprache allein nicht genug ist, um in eine Schulgemeinschaft integriert zu sein, sondern dass dazu vor allem persönliche Kontakte zu jungen Leuten gehören. Da kam Ilse Führer-Lehner wie gerufen. Selbst engagierte Patin – sie war die 100., die Awo-Koordinatorin Brigitte Becker in ihrer unverblümten freundlich-direkten Art rekrutiert hatte – wandte sich die Gelsenkirchenerin an Lehrerin Gönül Candan.
Fragebögen für Paten und Flüchtlinge
Die Frauen kennen sich persönlich und daher hatte Ilse Führer-Lehner schon einiges über die interkulturelle Arbeit an der ausgewiesenen Schule ohne Rassismus erfahren. Ergo dachte sie: „In diese Schule müssen wir rein.“ Gesagt, getan und: Volltreffer. Nach ersten Gesprächen mit den Expertinnen der Awo haben die SV-Sprecher Annika Küchenhoff und Henning Meyer mit anderen Vertretern des Schülergremiums Fragebögen für Flüchtlinge und künftige Paten erarbeitet. Die beiden Sprecher und die Lehrerinnen Gönül Candan und Angie Collins zeichnen jetzt für das Patenprojekt an der Schule verantwortlich.
Vorkurse, um Sprachbarrieren abzubauen
Als es 2015 darum gegangen sei, junge Erwachsene mit Fluchterfahrung zu beschulen, hat sich auch das Weiterbildungskolleg entschlossen, Förderklassen – Vorkurse werden sie hier genannt – einzurichten, um zunächst die Sprachbarrieren abzubauen. Kein leichtes Unterfangen, wie Schulleiter Günter Jahn erinnert. Denn die jungen Leute standen in ihrer Heimat bereits kurz vor dem Abi oder hatten bereits ein Studium begonnen. Soll heißen: Sie fühlten sich zumeist unterfordert. „Heute haben wir ein Drehtürmodell. Die Studierenden müssen dann für sich entscheiden, ob sie den Regelunterricht schaffen“, so Jahn.
Knapp 40 junge Geflüchtete, die meisten zwischen 21 und 27 Jahre alt, lernen am Weiterbildungskolleg. Es braucht also noch einige Paten, um die Integration in die große Schulgemeinde perfekt zu machen.
„Wir profitieren ja auch davon“
„Ich persönlich finde das Projekt sehr gut. Ich habe schon den B1- und B2-Sprachkurs gemacht, aber manches versteht man selbst mit C1 nicht. Dann frage ich Annika,“ sagte der 22-jährige Sipan Ibrahim. Die angesprochene Mitschülerin und SV-Sprecherin Annika Küchenhoff meinte in aller Freundschaft: „Wir profitieren ja auch davon. Wenn wir mal ein Problem in Mathe haben, bitten wir um Hilfe. Die Geflüchteten haben einen hohen Bildungsstand.“ Auf ihr Engagement angesprochen meinte sie: „Ich tue das sehr gerne und finde es gut, dass wir hier an der Schule die Möglichkeit haben.“
„Es sind Patenschaften auf Augenhöhe“
Hohes Bildungsniveau schreiben die Patinnen Elif-Kübra Isler und Semia Akkay auch Süleiman Saado zu, der gut in Mathe und Englisch sei. Wenn der 23-Jährige etwas nicht versteht, hat er es vergleichsweise einfach. „Es ist praktisch, dass die beiden in der Klasse neben mir sitzen,“ sagte er augenzwinkernd.
Patin Führer-Lehner meinte, die Patenschaft unter Schülern sei anders. „Es sind Patenschaften auf Augenhöhe“, sagte auch Awo-Geschäftsführerin Gudrun Wischnewski. Annika sieht’s genau so. „Es geht hauptsächlich um Hilfe in der Schule, um Verständigung oder Hausaufgaben, aber eben auch um den Kino- oder Theaterbesuch.“