Gelsenkirchen. . Das Weiterbildungskolleg Emscher-Lippe hat eine integrative Förderklasse mit 20 jungen Flüchtlingen. Später sollen diese am regulären Unterricht teilnehmen und einen Abschluss machen.

Das Schlimmste ist das Warten. Viele Flüchtlinge, die in den letzten Monaten nach Deutschland gekommen sind, sitzen in ihren improvisierten Unterkünften und warten auf ihren Asylbescheid. Warten darauf, für einen Deutschkurs zugelassen zu werden. Warten darauf, dass es irgendwie weitergeht.

Deswegen haben die Verantwortlichen des Weiterbildungskollegs Emscher Lippe beschlossen, den Neuankömmlingen eine Perspektive aufzuzeigen, indem sie eine Flüchtlingsklasse einrichteten. „Dieses nichts tun kann unheimlich belastend sein“, sagt Schulleiter Günter Jahn. „Wenn sie nur in den Unterkünften hocken, verschwenden diese Menschen ihre Zeit.“

Studenten genau ausgewählt

Doch es sei gar nicht so leicht gewesen, an Studenten für die Klasse heranzukommen, wie Jahn berichtet. Man habe bei der Auswahl darauf geachtet, dass eine gewisse Vorbildung vorhanden ist. Gesucht wurden Leute, die in ihrer Heimat studiert oder schon gearbeitet, aber wenigstens die Sekundarstufe besucht haben. „Ein Hinweis auf Bildung ist oft, wenn die Menschen etwas Englisch sprechen“, verrät Jahn. Er sei davon überzeugt, dass man nur mit Deutschkursen das Potenzial dieser Menschen nicht abrufen kann.

Nach den Herbstferien hat die als Vorkurs bezeichnete Klasse mit dem Unterricht angefangen. Von 26 Studenten sind heute noch 20 dabei. Nach einem Jahr sollen sie in eine reguläre Klasse wechseln und eines Tages ihr Fachabitur oder Abitur bauen. „Wir sehen das als nachhaltig angelegte Integration“, erklärt Günter Jahn, der sich von seinem Projekt eine Signalwirkung erhofft. „Jeder soll sehen, dass Integration gelingen kann, wenn die Möglichkeit der Bildung gegeben ist.“

Zum ersten Mal frei wählen

Bis zu 18 Stunden pro Woche hat die Klasse von montags bis donnerstags. Englischlehrerin Angie Collins leitet den Unterricht auf Deutsch, muss aber immer wieder ins Englische wechseln. „Am Anfang waren die Studenten sehr zurückhaltend“, berichtet Collins. Inzwischen seien sie schon viel aufgeschlossener.

Ein wichtiger Mann für das Projekt ist Verbindungslehrer Irfan Ortac. Der promovierte Politologe kann in viele Sprachen übersetzen und so Missverständnisse ausräumen. „Die Willkommenskultur an der Schule ist sehr gut“, lobt Ortac die einheimischen Schüler. Diese haben zu Beginn des Projekts ein Willkommensfrühstück organisiert. Zudem haben höhere Semester Lernpatenschaften für die Frischlinge übernommen. Eine Anekdote Ortacs verdeutlicht, wie wichtig der kulturelle Austausch für die Flüchtlinge ist. „Natürlich hat diese Klasse am Anfang auch einen Sprecher gewählt. Für viele Studenten war es das erste Mal in ihrem Leben, dass sie frei wählen durften.“ Inzwischen fühlten sich viele der Schule zugehörig.

Bildung als Privileg

Die Studenten kommen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak. Auch viele Afrikaner sind darunter. Die meisten von ihnen sind Anfang bis Mitte 20. Ihr Status: gestattet. Im schlimmsten Fall müssten sie die Klasse mitten im Semester verlassen. Die Verunsicherung ist im Klassenzimmer zu spüren. Niemand möchte seinen Namen in der Zeitung lesen. Einige wurden bisher noch nicht einmal von den Behörden angehört und befürchten, dass Äußerungen von ihnen negativ auf sie zurückfallen könnten.

Aber noch etwas ist zu spüren: Die jungen Menschen freuen sich über die Chance, die ihnen das Kolleg bietet. „Viele bekommen nur einen Deutschkurs, wir richtigen Unterricht“, sagt ein Nigerianer. „Das ist ein Privileg.“ Er wirkt dankbar. Dankbar dafür, dass er nicht mehr warten muss.