Gelsenkirchen. 2016 wurden mit Millionenaufwand in der Feldmark und in Erle Flüchtlingsquartiere mit bis zu 700 Plätzen gebaut. Doch beide Komplexe stehen leer.

  • Für bis zu 700 Plätze sind zwei Flüchtlingsstandorte ausgelegt, die mit Millionenaufwand gebaut wurden
  • Doch die 2016 gebauten Komplexe stehen (noch) leer. Die Stadt berät derzeit über Nutzungsalternativen
  • Grundsätzlich sollen die Komplexe aber Perspektivstandorte für Flüchtlingsquartiere bleiben

Der Rückbau von Flüchtlingsunterkünften wird die Politik noch im Januar beschäftigen. In der Verwaltung macht man sich bereits Gedanken über Immobilien, die aus städtischen Mitteln finanziert werden, aber derzeit brach liegen. Im Ausschuss für Arbeit und Soziales steht der Standort Adenauerallee am 25. Januar zur Diskussion.

Rückblick: 2015 erreichten die Flüchtlingsströme über die Balkanroute und das Mittelmeer in großen Schüben Gelsenkirchen. Oft über Nacht galt es, 30, 50, 80 Menschen in Not zu versorgen. Die Stadt hat damals nicht nur kurzfristig Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen, Turnhallen und Wohnungen belegt, sondern auch perspektivisch agiert:

In Schaffrath wurde eine Traglufthalle errichtet und gemietet. Die Unterkunft brannte im Mai 2016 ab. 97 Bewohner waren zu diesem Zeitpunkt dort gemeldet. Sie wurden anderweitig einquartiert. Die Halle war zum Zeitpunkt des Brandes nicht mehr versichert. Die Kostenfrage ist nach wie vor zwischen Stadt und Vermieter strittig.

Platz für 300 Bewohner im Stadtsüden

Errichtet wurde von der ggw, der Gelsenkirchener Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft zudem ein komplettes Neubauquartier in kürzester Zeit an der Katernberger Straße mit Platz für 300 Flüchtlinge. Im August 2016 waren die vier Neubauten weitgehend bezugsfertig. 8,6 Millionen Euro (mit Fördermitteln) wurden investiert, der gesamte Standort sollte damit auch eine soziale Aufwertung erfahren.

Am THW-Gelände Adenauerallee entstanden zudem ein Containerstandort und Mobilheime. Im November 2015 fiel im Rat der Stadt die Grundsatzentscheidung für den Bau. Die letzten beiden von insgesamt 16 Variohäusern wurden Ende 2016 aufgestellt. Gesamtinvestition: 5,2 Millionen Euro inklusive Landesmittel. Doch hüben wie drüben, in Berger Feld und der Feldmark gilt: Die Bauten stehen leer. Flüchtlinge und Asylsuchende sind nie eingezogen.

Prognosezahlen der Bundesregierung

Die Prognosezahlen der Bundesregierung seien 2015, Anfang 2016 andere gewesen, betont die Verwaltung. „Die Planung war auf Strecke gedacht. Dass der Zustrom so abreißt, war nicht vorauszusehen“, sagt Stadtsprecher Martin Schulmann und betont: „Wir wissen aber auch jetzt nicht wirklich, wie es sich entwickeln wird.“ Verändere sich die Situation in der Türkei beispielsweise dramatisch, werde der Zustrom wieder steigen.

An der Adenauerallee ist noch bis Ende November 2017 zu den Varioheimen ein Containerstandort für bis zu 85 Personen angemietet. Aktuell leben unter 40 Bewohner dort. Insgesamt prüft die Verwaltung hier, ob die Variohäuser auch für „andere dringende Bedarfe“ genutzt werden könnten – beispielsweise für den „Bereich Schule“. Der Umfang sei aber noch zu konkretisieren. Und „Eine vollständige Nutzung aller 16 Variohäuser für einen anderen Zweck ergibt sich nicht.“

Ausgeglichene Verteilung innerhalb des Stadtgebiets

Auch wenn die beiden Quartiere derzeit noch leer stehen – „Perspektivstandorte“ im Stadtsüden und -norden sollen sie bleiben. Damit werde das Ziel einer regional ausgeglichenen Verteilung innerhalb des Stadtgebiets unterstrichen.

Rund 700 Unterbringungsplätze, rechnet das Referat Soziales, stünden damit an der Katernberger Straße und der Adenauerallee (bei Belegung der Variohäuser mit 16 Personen) wenn nötig zur Flüchtlingsunterbringung zur Verfügung.

Darüber hinaus, so Sozialdezernent Luidger Wolterhoff, solle es nur noch wenige „Satelliten-Standorte“ als Flüchtlingsquartiere geben, vorwiegend Objekte im städtischen Eigentum wie an der Heistraße, am Hördeweg oder am Nordring.

Gleichzeitig werden angemietete Objekte bereits aktuell reduziert. Die Gemeinschaftsunterkünfte Uechtingstraße oder auch St. Theresia-Kirche wurden schon aufgegeben. Auch bei der Stadttochter ggw baut man bereits seit einiger Zeit Kapazitäten ab. „Aus unserem regulären Bestand hatten wir um die 80 Wohnungen für Flüchtlinge bereit gestellt, jetzt sind es noch an die 40“, sagt Geschäftsführer Harald Förster.

„Sonderobjekte für die Wohnungslosenhilfe“

Doch die Denkmodelle gehen auch schon weiter: Gegebenenfalls könnten einige der Variohäuser auch „als Sonderobjekte für die Wohnungslosenhilfe“ genutzt werden, eventuell auch von anerkannten Flüchtlingen als Wohnraum.

An der Katernberger Straße böte sich eine erweiterte Wohnnutzung ohne Umbauten aus Försters Sicht kaum an und mache daher vorerst auch keinen Sinn. Die Bäder, so der ggw-Geschäftsführer, seien beispielsweise für die geplante Nutzung sehr widerstandsfähig konstruiert worden, Duschwannen sind eingegossen worden, die Toilettenbecken sind aus Edelstahl. Die Stadt hat die Anlage langfristig von der ggw gemietet – im Vergleich zu anderen Kommunen zu „einem sehr günstigen Preis“.