Gelsenkirchen. Viele Zuwanderer aus Südosteuropa haben keine Krankenversicherung oder kennen ihren Versicherungsstatus nicht. An der Bronnerstraße startet ein Projekt, um Fälle zu erfassen und zu helfen

  • Die vierte von fünf Clearingstellen in NRW wurde Mittwochmorgen im Süden der Stadt offiziell eröffnet
  • Hintergrund: Zuwanderer aus Südosteuropa sind oft nicht krankenversichert, ihnen soll geholfen werden
  • Gesundheitsministerin Barbara Steffens: „Zugang zur Gesundheitsversorgung ist ein Menschenrecht“

Eine Krankenversicherung ist hierzulande Pflicht für jedermann. Aber: Wer etwa im Zuge der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Rumänien oder Bulgarien nach Deutschland, nach Gelsenkirchen, gezogen ist, kennt das hiesige Versicherungssystem unter Umständen gar nicht oder weiß vielleicht nicht einmal, ob er in der Heimat überhaupt versichert war. Im Krankheitsfall schlägt dann die Stunde der Wahrheit...

Den (Vor-)Versicherungsstatus der Menschen aus Südosteuropa zu klären und Nichtversicherte in das reguläre Krankenversicherungssystem zu integrieren, sind erklärte Ziele der neuen Clearingstelle, die am Mittwoch an der Bronnerstraße 13 in den Räumen eines ehemaligen Cafés mit großem Bahnhof eröffnet wurde.

6000 Zuwanderer aus Südosteuropa

Fünf von neun Kommunen hatten sich für das mit Landesmitteln geförderte Projekt Clearingstelle beworben. Nach Köln, Duisburg und Dortmund gratulierte NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Bündnis 90/Grüne) den Gelsenkirchener Akteuren, sich angesichts von rund 6000 Zuwanderern aus Südosteuropa dieser wichtigen Herausforderung zu stellen.

„Ich freue mich, dass die Stadt zusammen mit dem Diakonischen Werk und der Arbeiterwohlfahrt dem Aufruf zur Einrichtung einer Clearingstelle gefolgt ist. Sie ergänzt das vorhandene Beratungs- und Hilfesystem der Stadt und leistet einen Beitrag zur Vermeidung von sozialer Ausgrenzung“, sagte Steffens. Und äußerte sich bei dieser Gelegenheit kritisch über die Haltung der Bundesregierung. „Eigentlich wäre es Aufgabe des Bundes, EU-Bürgern einen unbürokratischen Zugang zu unserem Gesundheitssystem zu ermöglichen. Doch entsprechende Forderungen der Länder und Kommunen nach einer bundeseinheitlichen Lösung hat der Bund bisher leider immer abgelehnt.“ Mit Erkenntnissen und Daten der Clearingstellen, so hofft Steffens, könne man die Notwendigkeit einer einheitlichen Lösung verdeutlichen. Auch Sozialdezernent Luidger Wolterhoff unterstrich: „Es ist nicht akzeptabel, dass mitten unter uns Menschen ohne Krankenversicherungsschutz leben.“ Von den 6000 EU-Südost-Zuwanderern sei nur ein Drittel – weil im Hartz-IV-Bezug – versichert.

Heike Lorenz (Diakoniewerk) und Gudrun Wischnewski (Awo) repräsentierten die beiden Organisationen, die das Projekt in Kooperation mit dem Gesundheitsamt der Stadt tragen. Beide betonten, dass man in Gelsenkirchen bei diesem Thema nicht bei Null anfange und durch die aufsuchende Sozialarbeit schon viel erreicht habe. Daran will man anknüpfen.

Das Land fördert die Clearingstelle im Projektzeitraum (drei Jahre) mit 480.000 Euro; die Stadt sattelt 120.000 Euro drauf. Drei Vollzeitstellen – eine davon teilen sich zwei Juristinnen – wurden sind geschaffen. Die Bronnerstraße 13 ist auch Anlaufstelle für Ärzte. Und was die Bereitschaft zur Zusammenarbeit angehe, so Heike Lorenz, gebe es gute Signale aus der Ärzteschaft und den Krankenhäusern.