Gelsenkirchen. Das Gelsenkirchener Museum arbeitet seine Sammlung konservatorisch und digital auf.

Frauke Jungbluth greift zum Skalpell. Mit dem blitzenden Werkzeug fährt die 40-Jährige ganz vorsichtig und ganz langsam unter die kostbare Haut eines echten Ernst Barlachs. Die Mülheimerin ist Papierrestauratorin und arbeitet zurzeit in der Grafiksammlung des Kunstmuseums Gelsenkirchen. Ihre Aufgabe: den kompletten Grafikbestand des Hauses zu sichten, restauratorisch zu begutachten und eine Datenbank zu erstellen.

Sünden der Vergangenheit fallen ihr beim Sichten der zahllosen Grafikmappen in die Hände. „Verwenden Sie für wertvolles Papier nie Klebestreifen oder Alleskleber“, mahnt sie seufzend mit Blick auf den Riss im Barlach-Blatt, den in fernen Zeiten mal jemand unsachgemäß geflickt hat. Die Entfernung von Kleberückstanden auf grafischen Blättern sei für Restauratoren eine der kniffligsten Aufgaben. Aber auch mit Lichträndern und festgepappten Passepartouts hat es die Restauratorin zu tun, befreit Papier von säurehaltigen Rückständen.

Sichtung der Sammlung in drei Schritten

Frauke Jungbluth wird während der nächsten Monate jede der über 2300 Grafiken der Gelsenkirchener Sammlung mindestens einmal in ihren Händen halten. Dabei ist die Aufarbeitung der Exponate derzeit nicht ihre Aufgabe: „Ziel ist es, die Sammlung zu sichten und ihren Zustand zu beschreiben.“ „Erst danach weiß man dann“, sagt Museumschefin Leane Schäfer, „welche Grafiken vordringlich restauriert werden müssen.“

Die Sichtung der Sammlung geschieht in drei Schritten. Den ersten unternimmt die Restauratorin, den zweiten geht Anna Niehoff am Computer. Die studentische Hilfskraft aus Castrop-Rauxel, die in Bonn studiert, pflegt alle Informationen über jede einzelne Grafik in eine Datenbank ein wie bei einer Inventur, notiert den Zustand des Werks, listet Schäden auf. Christiane Wanken, stellv. Museumsleiterin, weiß: „Diese Informationen sind auch bei Ausleihen wichtig.“

Barlach mit dem Skalpell verarztet

Den dritten Schritt unternimmt der Gelsenkirchener Fotograf Martin Schmüdderich, der alle Grafiken nach den Richtlinien zur Digitalisierung der Deutschen Forschungsgesellschaft hochwertig ablichtet. 289 Werke hat er inzwischen bereits „im Kasten“.

Sowohl die Anschaffung der Datenbank als auch das Digitalisierungsprojekt werden vom LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe)-Museumsamt in Münster mit rund 30 Prozent bezuschusst. Manfred Hartmann vom LWL sah sich den Fortschritt vor Ort an. Derweil greift Frauke Jungbluth wieder zum Skalpell, ein echtes: „Damit hat mein Vater als Augenarzt lange gearbeitet“. Jetzt verarztet sie den Barlach damit.

Zum Bestand des Kunstmuseums an der Horster Straße 5-7 gehören über 2300 Grafiken. Sie stammen aus dem Zeitraum von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis heute.

Im Grafikkabinett werden regelmäßig Exponate aus der Sammlung gezeigt. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr.