Middelburg. Elf Schalker Randalierern droht eine Haftstrafe in den Niederlanden. Sie sollen in Renesse mehrere Polizisten angegriffen und verletzt haben.

Sie wollten kurzen Prozess machen. Festnehmen, die Randalierer von Renesse, sie ins Gefängnis stecken und nach nicht einmal drei Wochen bestrafen: die ganze Härte des niederländischen Gesetzes für elf vermeintliche Schalker Schläger. Richterin Nicolette van der Ploeg mochte der Staatsanwaltschaft das “nicht übelnehmen” - und vertagte das “Superschnellverfahren” nach langem ersten Verhandlungstag in Middelburg trotzdem. Den Verteidigern war die Sache dann doch etwas zu schnell gegangen.

Fotos, auf denen man kaum jemanden erkennt

Nachts, eine wogende Menge aus sicher hundert Männern im Dunkeln. Wer will auf diesen Videos, deren Pixel nicht einmal einen Fernsehbildschirm füllen, Christian erkennen, Pierre oder Pascal? Wer sehen, wer auf der Ausgehmeile im seeländischen Küstenort zuschlug, zutrat oder nur zuschaute?

Die Polizisten, die nach der Nacht vom 11. auf den 12. April ihre blauen Flecken zählten, sind sich sicher: 15 haben sie wiedererkannt auf Fotos und Filmen. Bis Dienstag saßen elf von ihnen in Untersuchungshaft, sind nun angeklagt wegen “öffentlicher Gewalt”, aber nicht da. Sie durften ja gerade erst nach Hause.

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Weshalb sie die lange Liste der Verletzungen nicht hören, die die Beamten aufgeschrieben haben: Prellungen, Gehirnerschütterungen, Rücken- und Nackenschmerzen, Schlafstörungen. “Das Heftigste, was ich in all meinen Dienstjahren erlebt habe”, nennt ein Beamter die Zusammenstöße jener Nacht, als 78 Schalker Ultras in Renesse mit anderen aneinandergerieten, später die Sicherheitskräfte angegriffen haben sollen. Ein anderer berichtet, wie er zum ersten Mal überhaupt einen Notruf absetzte, ein dritter, noch immer krankgeschrieben, sagt: “Wir wissen, dass man es in diesem Beruf mit Gewalt zu tun bekommen kann. Aber an Tritte von einer ganzen Gruppe denkst du nicht.”

Alle Angeklagten sind abwesend

Wer aber ist “die Gruppe”? Ist Dabeisein alles?, wie einer der niederländischen Anwälte wissen will, die ihre Mandanten allesamt in Abwesenheit vertreten. Den ältesten, einen 37-Jährigen aus Oer-Erkenschwick, will ein Zeuge an seinen Tattoos erkannt haben. Er soll einem Polizisten mit einer Bierflasche auf den Kopf geschlagen haben. “Andere sind auch tätowiert”, sagt sein Verteidiger. Christian W. (33), der Justizbeamte vom Niederrhein, soll immer im Vordergrund gewesen sein, geschubst, getreten und mit einem Fahrrad geworfen haben. “Ich sehe nur eine Menschenmenge”, sagt Anwalt Bart Visser.

Die sieht Staatsanwalt Rob Rammeloo auch, “wir hätten genau so 30 oder 40 festnehmen können”. Gerade in der Gruppe sieht er einen “Sonderfall”: Ultras seien “dafür trainiert” zuzutreten, “um andere auszuschalten”, und sich dann wieder “feige” in den Schutz der Gruppe zurückzuziehen. Von “schlechtem Benehmen” spricht Rammeloo und fordert für gleich alle dieselbe Strafe: neun Monate Haft, zwei Drittel davon, weil sich die Gewalt gegen Polizisten richtete.

Die gleiche Strafe für alle?

Mitgehangen, mitgefangen also. “Samen uit, samen thuis”, sagen die Niederländer, “zusammen aus, zusammen nach Hause”. Aber genau so war es ja gerade nicht, argumentieren nun die Anwälte. Fünfzehn fischten Polizisten aus Breda in jener Nacht aus dem Bottroper Bus, “warum gerade meine Mandanten?”, will ein Verteidiger wissen. Trugen sie nicht alle Blau-Weiß, kurze Haare, und warum wurden da Zeugen heimgeschickt, die nie mehr gehört wurden, vielleicht aber gar selbst Täter waren? “Im Chaos”, gibt selbst Ankläger Rammeloo zu, sei alles “schwer zu rekonstruieren”.

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Dass nun aber “ein großer Teil gut wegkommt”, klagt Anwalt Visser, und der Rest “dafür bezahlt”, wollen die Angeklagten nicht hinnehmen. Altenpfleger sind sie, Straßenwärter, Studenten und nach ihren aus Deutschland geschickten Einlassungen zwar dabei, aber nicht beteiligt gewesen.

Die Akte ist schon an die 1000 Seiten stark

Was stimmt, wird das Gericht nun klären. Weitere Zeugen hören, Fotos ergänzen in einer Akte, die zwar noch jung, aber schon an die tausend Seiten stark ist. “Die Angst”, hat einer der Polizisten gesagt, “hört erst mit einem Urteil auf.” Das aber wird es nun doch so schnell nicht geben.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurde das Datum der Ausschreitungen irrtümlich mit 12./13. April angegeben. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.