Gelsenkirchen. Wie einsam kann ein neunjähriges Mädchen sein? Sehr. Das bringt das Jugendstück „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ der Bestseller-Autorin Sibylle Berg in der Premiere am Consol Theater eindrucksvoll auf die Bühne. Die Kunststiftung NRW hatte dem Gelsenkirchener Theater das Stück zu ihrem eigenen Jubiläum geschenkt.

Wie einsam kann ein neunjähriges Mädchen sein? Sehr. Das bringt das Jugendstück „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ von Sibylle Berg in der Premiere am Consol Theater Sonntag eindrucksvoll auf die Bühne.

Was mit Tanz rund um die auf einem Stapel Matratzen schlafende Lisa (Charis Nass), die keine Lust hat aufzustehen, noch spielerisch und alltäglich beginnt, entpuppt sich bald als äußerst beklemmend. Jennifer Münch, Fabian Sattler und Moritz Fleiter als griechischer Chor in Steward-Kleidern erzählen die traurige Geschichte. „Ein kleines Mädchen in einem hundekackfarbenen Haus in einem hundekackfarbenen Block“, ein ödes Leben. Vor allem, weil sich die Eltern nicht kümmern, es keine Freunde gibt und in der Schule nur Mobbing. „Ich bin gewöhnt, dass keiner mit mir redet. Existiere ich überhaupt? Vielleicht bin ich nur eine Einbildung von mir.“

Hoffen, dass sich jemand kümmert

Das Bühnenbild mit Schränken als Türen zu anderen Räumen, realen wie geistigen, die Videoeinspielungen auf Großleinwänden im Hintergrund und die Ballettszenen mitsymbolhaften Requisiten erzeugen eine surreale bedrückende Stimmung. Monoton klingt es vom Band „Guten Morgen Herr Lehrer“ – Gleichschaltung anschaulich gemacht. Die Tristesse bricht „Walter“ (Moritz Fleiter), ein außerirdisches Kind, von seinem Eltern bei einem Besuch auf der Erde vergessen. Er weiß nicht, wann er wieder nach Hause kann, „Weißt Du, die Erde ist kein beliebtes Reiseziel“, vertraut er sich Lisa an. Schnell gibt er dem Mädchen den pragmatischen Hinweis, sich im Alltag zu wehren. Gegen Mobbing mit Selbstbewusstsein und Kung-Fu. Gegen Einsamkeit, den ersten Schritt auf andere selbst zu wagen.

Ein kompakter Aufruf von Eigeninitiative, die im Theaterstück erfolgreich endet. Selbst Lisas Eltern durchbrechen den Kreis ihrer eigenen Depressionen und es steht eine wieder lebendige Familie vor den Zuschauern. Dies ist vielleicht der Knackpunkt dieses Auftragswerks der Kulturstiftung NRW. Denn erwachsene Zuschauer sind, auch dank der hervorragenden schauspielerischen Leistungen der vier jungen Künstler, allen voran Chariss Nass mit ihrer intensiven Körpersprache, aufgerüttelt. Kinder brauchen Halt und Zuwendung, die Botschaft ist mehr als angekommen. Ein zwölfjähriger versteht bestimmt auch, dass er etwas selbst in die Hand nehmen muss, die Kung-Fu-Einlagen übrigens äußerst amüsant und humorvoll inszeniert. Aber ein neunjähriges unverstandenes Kind wartet vielleicht auf einen „Außerirdischen“, der nie kommen wird. Ihm werden keine anderen Lösungsvorschläge geboten, als zu hoffen, dass sich jemand kümmert.

Die Kunststiftung Nordrhein-Westfalen hat sich zu ihrem 25-jährigen Bestehen in diesem Jahr selber ein besonderes Geschenk gemacht.

Sie fördert ausgewählte Projekte an verschiedenen Orten mit einer außerplanmäßigen Finanzspritze. Auch das Consol Theater an der Bismarckstraße durfte sich einen Autoren auswählen und fragte an bei Sibylle Berg.

Weitere Vorstellungen und Info auf www.consoltheater.de