Gelsenkirchen. Die prominente Dramatikerin Sibylle Berg schrieb für das Consol Theater das Jugendtheaterstück „Mein seltsamer Freund Walter“. Vor der Uraufführung kam sie zu einem Probenbesuch nach Gelsenkirchen.

Die prominente Autorin blickt staunend auf das Bühnenbild: „Hängen da Matratzen unter der Decke?“ Die Regisseurin nickt: „Da hängen Matratzen unter der Decke, wie Planeten.“ Und Sibylle Berg, die deutsch-schweizerische Dramatikerin, sagt: „Okay!?“ Die Schriftstellerin besuchte am gestrigen Freitag erstmals das Consol Theater in Bismarck, wo am 9. November um 15 Uhr ihr Jugendstück „Mein ziemlich seltsamer Freund Walter“ Uraufführung feiern wird.

Die 52-Jährige bekommt dabei zum ersten Mal einen Einblick darin, was aus ihrem Text, einer Auftragsarbeit der Kunststiftung NRW, werden könnte. „Das ist wie Roulette“, weiß die erfahrene Schriftstellerin. „Man ist einfach wahnsinnig ausgeliefert.“ Nach den ersten Probenszenen war Sibylle Berg sichtlich erleichtert: „Das wird richtig gut.“

Nachdenken über die eigene Jugend

Weil die Kunststiftung in diesem Jahr 25 Jahre alt wird, sollte es etwas ganz Besonderes sein. Prof. Hans Joachim Wagner, Leiter des Fachbereichs Theater: „Heute werden zumeist Kinderbücher für die Bühne adaptiert, wir aber wollen neues zeitgenössisches Theater initiieren.“ Ausgerechnet mit Sibylle Berg, die bislang ausschließlich Dramen und Romane für Erwachsene geschrieben hat, ruppige oft, pessimistische. Die in Weimar geborene, heute in Zürich lebende Autorin selbst war ebenfalls überrascht, sagte nach kurzer Überlegung aber zu: „Es brauchte nur etwas Konzentration auf das, was mal war, darauf, wie die eigene Welt damals aussah.“ Berg erinnerte sich an Hilflosigkeit in Jugendtagen, an Außenseitertum: „Ich kannte auch die Probleme von Arbeitslosen und Trinkern.“

Herausgekommen ist ein Stück für junge Menschen ab neun Jahren, das Einsamkeit, Vernachlässigung, Mobbing und Freundschaft thematisiert. Im Mittelpunkt steht Lisa (gespielt von Charis Nass), die erst wieder Lebensmut fasst, als der außerirdische Walter (Moritz Fleiter) landet und ihr Freund wird. Alle anderen Rollen, die der Eltern, der Mitschüler, der Spielplatzrowdies, übernehmen Jennifer Münch und Fabian Sattler.

Die vielfach preisgekrönte Autorin, deren Werke in mittlerweile 26 Sprachen übersetzt wurden, sagt: „Über glückliche dicke Kinder hätte ich nicht schreiben können.“ Ein Happy End wird es dennoch geben: „Ich gebe zwar keine Lösungen, aber anders als bei den Erwachsenenstücken bin ich hier konkreter.“ Aber ohne Zeigefingereffekt, verspricht sie.

Wenn das Stück am Consol endgültig das Licht der Welt erblickt, wird die Autorin nicht dabei sein können: Sie hat einen OP-Termin.

Autorin und Regisseurin brechen ein Tabu

Autorin Sibylle Berg und Regisseurin Andrea Kramer stimmten sich von Anfang an ab über die Produktion. Kramer: „Ich habe zum Beispiel die Lebenssituation der Kinder hier beschrieben.“

Die wenigsten seien als glückliche Sonntagskinder geboren: „Hier geht es um ganz Existenzielles, um Vernachlässigung, um Vereinsamung.“ Man breche ein Tabu, wenn man diese Themen, auch die Scham über die Lebenssituation, benenne. Gespielt wird in einem sehr realen Bühnenbild (Tilo Steffens) aus einer Jugendzimmer-Schranklandschaft und vielen Matratzen. Beides dient zusätzlich als Projektionsfläche für Videoeinspielungen (Aaron Jablonski), Träume und Realität fließen ineinander. Die Inszenierung wird auch musikalische und tänzerische Aspekte haben.

Die Premiere findet am 9. November um 15 Uhr im Consol Theater an der Bismarckstraße 240 statt. Weitere Vorstellungen gehen am 11. und 12. November, jeweils 10.30 Uhr über die Bühne. Karten und Infos: 9882282 oder www.consoltheater.de