Gelsenkirchen. Die „Demokratische Initiative gegen Diskriminierung und Gewalt“ gedenkt der Pogromnacht vom 9. November 1938 gegen jüdische Bürger mit einem Schweigezug. Die Teilnehmer treffen sich am Sonntag, 9. November, um 15 Uhr im Bugapark in Gelsenkirchen. Schirmherr ist der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski.
Am 9. November 1938 war die Gewalt des Nazi-Terrors gegen Juden sichtbar. In Gelsenkirchen und Buer brannten die Synagogen und jüdische Geschäfte. „Reichskristallnacht“ nannten die Machthaber in ihrem Zynismus und ihrer Menschenverachtung das schreckliche Kapitel der systematischen Judenverfolgung. Geschäfte wurden verwüstet, Waren geplündert oder zerstört, Menschen gequält. Viele jüdische Bürger in Gelsenkirchen verloren ihr Hab und Gut. Seit 1964 erinnern sich die Bürger Gelsenkirchens in einem Gedenktag an den Gewaltexzess der braunen Horden.
Jüdische Bürger waren in die Stadtgesellschaft fest integriert. Allein in der Innenstadt boten zahlreiche jüdische Kaufleute ihre Waren an. An der Bahnhofstraße und in ihren Seitenstraßen befanden sich vor der Machtergreifung der Nazis 20 von 250 jüdischen Geschäften in der Stadt. 1938 war die Zahl auf 162 geschrumpft.
Deportation in aller Öffentlichkeit
Viele jüdische Bewohner in Gelsenkirchen wurden ausgebürgert, das Vermögen komplett eingezogen. Doch hatte die Propaganda der Nazis auch in Teilen der Bevölkerung Wirkung gezeigt. Der Antisemitismus breitete sich aus. Die Hitler-Diktatur hatte den Terror gegenüber Juden staatlich legitimiert. Nach Aufforderungen zum Boykott, Diskriminierungen, den Nürnberger Rassegesetzen und Vertreibungen – die Nazi-Barbaren nannten es Arisierung - setzten die Gewaltherrscher mit der Pogromnacht den Höhepunkt ihrer Hasstiraden und Erniedrigungen.
Juden, die noch nicht aus Gelsenkirchen fliehen konnten, lebten ständig mit der Angst, abgeholt zu werden. Die Nazis und ihre Helfer begannen systematisch mit der Ermordung der Juden. Die entrechteten Juden wurden 1942 unter den Augen der Bevölkerung in Ghettos und Lager deportiert. Die meisten wurden ermordet oder starben unter den erbärmlichen Bedingungen in den Lagern.
Nur wenige Rückkehrer
Aus Überlieferungen von Zeitzeugen und aus den Archiven ist bekannt, dass auch in Gelsenkirchen zahlreiche Institutionen, Behörden, Unternehmen und Vereinigungen aktiv an der Diskriminierung von Juden beteiligt waren. Entrechtung, Misshandlung und schließlich die Deportation fanden in aller Öffentlichkeit, also für alle sichtbar, statt, heißt es in der Chronik des Instituts für Stadtgeschichte.
Etliche Bürger, auch Geschäftsinhaber in Gelsenkirchen, profitierten von der Verfolgung und Ermordung der Juden. Viele Menschen waren an den Verbrechen beteiligt, noch mehr wussten oder ahnten zumindest, was geschah. Ehemalige Gelsenkirchener Juden, die den Vernichtungsterror überlebten, lebten später in den USA. Nur wenige kehrten später in ihre alte Heimat zurück.