Gelsenkirchen-Scholven. Die erhöhten Benzolwerte im Umfeld der BP-Raffinerie in Scholven sorgen für politischen Zündstoff. Die Stadt lässt das Bebauungsplanverfahren für die Norderweiterung ruhen, SPD und CDU begrüßen die zusätzlichen Messungen, die Grünen verlangen eine Überprüfung der Werte auch für den Standort Horst.
Dass im Umfeld der BP-Raffinerie in Scholven überhöhte Benzolwerte gemessen wurden, ist dem Chemieunternehmen nicht erst seit gestern bekannt, als die Ergebnisse einer zusätzlichen Messung durch das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz die Runde machten. BP-Sprecherin Stefanie Hansen: „Diese Messergebnisse kennen wir seit dem letzten Donnerstag.“ Seitdem stehe BP in engem Kontakt mit der Stadt und der Aufsichtsbehörde. Welche Folgen sich daraus für das Unternehmen ergeben, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Dagegen hat die Stadt bereits eine erste Konsequenz gezogen: Das kurz vor dem Abschluss stehende Bebauungsplanverfahren für eine mögliche Erweiterung der Raffineriekapazität nördlich der Ulfkotter Straße wird erst einmal ruhen. „Mindestens für drei Monate“, wie Stadtsprecher Martin Schulmann bestätigt. In dieser Zeit soll das LANUV weitere Messungen vornehmen, die Auskunft darüber geben sollen, wo die Ursachen für die Grenzwertüberschreitung liegen.
"Unternehmen soll dafür sorgen, dass die Werte für das bestehende Werk eingehalten werden"
Diese Entwicklung schreibt sich die Bürgerinitiative „Gruen für 3 - Scholver Feld“ als Erfolg auf ihre Fahnen. Die Gegner der Raffinerieerweiterung hatten eine zusätzliche Messung beantragt und sind jetzt in ihrer Skepsis bestätigt worden. Joachim Pabst: „Bevor BP eine Erweiterung seiner petrochemischen Anlagen plant, sollte das Unternehmen dafür sorgen, dass die Werte für das bestehende Werk eingehalten werden.“ Die von der Bezirksregierung angekündigte Sonderprüfung wird von der SPD-Ratsfraktion ausdrücklich begrüßt. „Mit der Überprüfung kann geklärt werden, ob es sich um eine Ausnahme oder dauerhafte Belastungen handelt“, so Fraktionschef Klaus Haertel, der sich auf diese Weise Aufschluss über Ursachen und Verursacher erhofft.
Die Einhaltung der Grenzwerte ist für ihn von zentraler Bedeutung: „Im Gegensatz zu Eingriffen in Natur und Landschaft kann eine dauerhafte Überschreitung von Grenzwerten durch keinerlei Ausgleichsmaßnahmen kompensiert werden.“ Trotz der aktuellen Entwicklung bleibe die Norderweiterung des Chemiestandortes in Scholven eine „industriepolitische Option“. Haertel interpretiert die Messergebnisse auch als „negative Auswirkungen der organisatorischen Schwächung des Umweltschutzes“, für die die ehemalige schwarz-gelbe Landesregierung die Verantwortung trage. Eine kontinuierliche Überwachung von Betrieben an kritischen Stellen könne nicht mehr geleistet werden.
Die CDU erarbeitet einen Dringlichkeitsantrag, damit die neuen Messergebnisse und die damit verbundenen Folgen in der nächsten Sitzung des Umweltausschusses thematisiert werden können. Fraktionschef Werner Wöll will dazu Vertreter des LANUV, von BP, der Bezirksregierung und der Bürgerinitiative einladen, um die Ergebnisse und das weitere Vorgehen zu diskutieren.
Irene Mihalic, stellvertretende Vorsitzende der grünen Ratsfraktion, kritisiert nicht nur die Erweiterungspläne von BP: „Sollten weitere Messungen die Ergebnisse bestätigen, wäre es offensichtlich, dass BP nicht in der Lage ist, ihre Anlagen so zu betreiben und zu warten, dass die Emissionen, die von ihrem Gelände ausgehen, im Rahmen des Zulässigen bleiben.“ Und sie stellt eine grundsätzliche Frage: „Warum musste erst eine Bürgerinitiative aktiv werden und sich an das LANUV wenden?“ Es sei Aufgabe der Überwachungsbehörden, derartige Anlagen zu beaufsichtigen und laufend den einwandfreien Betrieb der technischen Einrichtungen zu überprüfen. Und sie verweist auf die rechtlichen Folgen für das Containerdorf, dessen befristete Genehmigung bereits Ende September vergangenen Jahres ausgelaufen sei. Die Grünen fordern zudem Benzolmessungen auch für den BP-Standort in Horst.