Essen. .
Kitsch trifft auf Kultiviertes, Rentner auf Jungspunde, Guiness- auf Latte Macchiato-Trinker: Die Temple Bar am Essener Salzmarkt ist ähnlich wie der große Namensvetter im irischen Dublin mittlerweile eine Institution.
Nein, betrunkene Touristenscharen wie bei dem großen Namensvetter im Herzen von Dublin trifft man in der Essener Temple Bar nicht an. Stattdessen lassen sich hier Querdenker, Studenten, Rentner, Kreative und vor allem Tischfußball-Profis ein Guiness schmecken. Seit Mitte der 90er Jahre ist die irische Bar am Salzmarkt eine Essener Institution - auch dank Monira Helmy, die die Kneipe 2006 zu altem Charme zurückführte. Zuvor waren mehrere Versuche, aus der Temple Bar eine szenigen Hochglanz-Lounge zu machen, gescheitert. „Ente an Orangensauce - das zieht bei den Leute hier nicht“, sagt Helmy, die die Bar 2006 von Grund auf „umkrempelte“. Großformatige Fotos, ein etwas kitschiger Plastik-Hirschkopf an der Wand, gemütliche Sitzecken, eine alte Truhe - alles, was scheinbar nicht zusammenpasst, gehört in der Temple Bar zusammen.
Schon mit 16 Jahren hatte Monira Helmy, die während ihres Studiums im KKC erste Gastronomie-Erfahrungen sammelte, die fixe Idee einer eigenen Kneipe. Dass es die Temple Bar wurde, war purer Zufall. Kurz vor Weihnachten 2005 unterschrieb sie den Vertrag, Anfang 2006 stand sie bereits hinterm Tresen. „Ich mag ja pauschal Menschen. Und ich wollte einen Ort schaffen, an dem jeder sein kann und sollte wie er ist“, begründet sie die Entscheidung für lange Nächte, wenig Freizeit und das Risiko, das jede Selbstständigkeit mit sich bringt.
Frauen-Fußball-WM wird auf Leinwand übertragen
In eine Schublade stecken kann man die Temple Bar trotz des noch vage vorhandenen irischen Einschlags nicht. Welche Musik gespielt wird, entscheiden die Mitarbeiter in ihren Schichten selbst. Reggae, House, Funk, Soul, Rock - Hausherrin Monira Helmy lässt ihren Kollegen freie Hand. Dabei spielt Musik für sie persönlich eine große Rolle - einmal im Jahr gibt die 37-Jährige Nachwuchsbands aus der Region beim Temple Bar-Openair die Chance, vor einem größeren Publikum aufzutreten.
Nicht zuletzt ist der große Biergarten eines der Markenzeichen der Kultkneipe. In diesem Jahr soll er auch während der Frauen-Fußball-WM wieder an seine Grenzen gebracht werden. Ohne das Runde im Eckigen läuft in der Temple Bar gar nichts - die professionellen Kickertische, die auch in der Tischkicker-Bundesliga genutzt werden, sind meistens dicht umlagert. Mit einem anderen „Kneipensport“ hat Monira Helmy aber gebrochen: Statt einer Kegelbahn beheimatet der Keller der Temple Bar einen Club, in dem an den Wochenenden regelmäßig wechselnde DJs auflegen. „Ein Gast hat zum Beispiel die Soul-Party angeregt. Ich war erst skeptisch, heute ist das Partyformat ein Selbstläufer“, sagt Helmy. Und auch zum „Auskatern“ am Sonntag lässt sie ihre Stammgäste nicht allein - dann ist abends nämlich regelmäßig gemeinsames Tatort gucken angesagt - wie es sich für eine Familie gehört.