Essen. . Vier Betroffene erzählen, wie sie ihre Erfahrungen mit der Krankheit im Hochgebirge verarbeiteten. Der Verein für Gesundheitssport bietet die Trekking-Tour in Kooperation mit zwei Fach-Medizinern im kommenden Jahr bereits zum sechsten Mal an. Dabei geht es zu Fuß von Innsbruck bis Meran nicht nur körperlich an Grenzen.

Zwei Wochen vor ihrem 50. Geburtstag erhält Ute Wendt die niederschmetternde Diagnose – Brustkrebs. Die Physiotherapeutin aus Heidhausen senkt den Blick, erinnert sich an die belastende Zeit der Ungewissheit.

Dann lächelt sie und sagt: „Die Vorfreude auf die Alpen – das war etwas, an dem ich mich entlang hangeln konnte. So ein Ziel vor Augen macht Mut.“ Heute hat sie den Brustkrebs besiegt und ebenso die Tour von Innsbruck bis nach Meran gemeistert.

Bewegung ist kein Tabu mehr

Die 51-Jährige gehört zu den Teilnehmern der fünften Transalp-Tour, die der in Rüttenscheid beheimatete Verein für Gesundheitssport (VGSU) in Kooperation mit Rainer Paust, Institut für Psychosoziale Medizin der Contilia, und Roland Rudolph, auf Krebskrankheiten spezialisierter Internist, angeboten hat. Daran teilnehmen können Krebspatienten, die ihre Therapie weitgehend abgeschlossen haben. „Wir bewegen etwas in der Szene: War Bewegung für Chemo-Patienten früher tabu, so ist es heute umso wichtiger, wieder Zutrauen in den eigenen Körper zu gewinnen“, sagt Rainer Paust.

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„Ich bin aus dem Tal der Tränen auf den Berg der Freude gestiegen“, so formuliert es Bruno Wahl (58), bei dem vor zwei Jahren eine chronische Leukämie festgestellt wurde. „Chronisch bedeutet, dass ich bei entsprechender Therapie die Chance auf ein langes Leben habe. Mit der Tour wollte ich mir beweisen, dass ich mehr bin als die Krankheit“, sagt der städtische Angestellte, der sich nach erfolgreicher Chemotherapie für das sechsmonatige Vorbereitungstraining anmeldete. Geholfen, die Krankheit zu verarbeiten, habe ihm die Gruppe: „Der Vorteil ist, dass alle ein ähnliches Schicksal hinter sich haben. Wir wollten alle nicht weiter mit Samthandschuhen angefasst werden, haben uns gegenseitig ermutigt, uns anzustrengen.“

„Bis vor zwei Jahren war ich noch unheilbar gesund“

Für Martin Siekerkotte, Agraringenieur aus Kettwig, „war jede Minute da oben ein besonderes Erlebnis“. Der 49-Jährige wollte mit der Tour einen Schlussstrich unter seinen Speiseröhrenkrebs ziehen, „das ist mir zu 90 Prozent auch gelungen“, sagt er. Natürlich mache man sich während der Wanderung viele Gedanken über das Erlebte, „aber es ist ja immer einer für den anderen da“.

Eben das schätzt auch Jörg Degner, Polizeibeamter „und bis vor zwei Jahren noch unheilbar gesund. Zumindest fühlte ich mich so“, schickt der 53-Jährige aus Überruhr hinterher. Bei einer Routineuntersuchung wird bei ihm ein Tumor im Darm entdeckt, eine OP und zwölf Chemo-Durchgänge folgen. „Das nagt sehr an einem, wenn Menschen, die zu Beginn der Therapie noch neben dir sitzen, am Ende nicht mehr kommen, weil sie es nicht geschafft haben“, sagt Degner, der diese Erfahrungen in den Alpen verarbeitete. „Es hat geschüttet wie aus Kübeln und wir sind einfach immer weiter gelaufen. Das klingt verrückt, aber es hat geholfen“, sagt Degner. Im Februar startet er mit seinem Team zur Schneeschuh-Wanderung in den Chiemgau – „man braucht ja neue Ziele“, sagt Martin Siekerkotte.