Rüttenscheid/Südostviertel. .
Birgit Kuhn erinnert sich noch gut an die Kur im vergangenen Jahr. Die ersten Therapien nach der Diagnose Brustkrebs lagen hinter ihr; vor ihr der feste Wunsch, die Alpen überqueren zu wollen. „Ich fragte nach Anwendungen, wollte mich bewegen. Was ich bekam, waren Fußbäder“, sagt die 48-Jährige. Und die Warnung einer Ärztin bezüglich des ehrgeizigen Wander-Vorhabens: „Wenn Sie das machen, laufen Sie ins offene Messer.“ Auch Andrea Macher, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankte, kennt das Gefühl „ausgebremst zu werden“ – und hat sich dennoch über die Alpen gewagt: „Das war eins der besten Erlebnisse, das ich je hatte. Ich habe mich gefragt, warum ich so etwas nicht schon vor der Krebserkrankung gewagt habe“, sagt die 52-Jährige über die Transalp-Tour im September.
Rainer Paust vom Institut für psychosoziale Medizin am Elisabeth-Krankenhaus beklagt die Unwissenheit einiger Kollegen auf dem Gebiet: „Früher war man der Meinung, Krebspatienten müssten geschont werden. Körperliche Aktivität und Krebs ist ein Themenfeld, das erst nach und nach ins Bewusstsein rückt.“ Der Verein für Gesundheitssport der Uni Duisburg-Essen (VGSU) gehört gemeinsam mit einem Expertenteam zu den Vorreitern und organisierte im Jahr 2010 die erste Wandertour für Patienten nach einer Krebserkrankung. Positive Effekte wie eine Verbesserung der Lungenfunktion und Stimmungslage bestätigen nicht nur Studien, sondern auch Menschen wie Andrea Macher: „Erst sechs Wochen nach der Wandertour habe ich zu Hause gemerkt, wie sehr ich von dem Erlebten zehre. Meine Erinnerung hat sich verbessert, da hatte ich früher nach der Chemo-Therapie häufig Probleme. Hinzukommt die Selbstbestätigung, es geschafft zu haben.“
„Wir haben auch viele junge Patienten. Nach einer Therapie fallen viele in ein Loch – dabei stehen sie mitten im Leben. Eine solche Tour kann helfen, sein Selbstwertgefühl zurückzugewinnen“, sagt auch Diplom-Sportlehrerin Ulla Timmers-Trebing vom VGSU, die bereits mitten in der Vorbereitung für die Transalp-Tour im Juli steckt. Gemeinsam mit Onkologe Roland Rudolph und Rainer Paust werden die Interessenten ein halbes Jahr lang intensiv auf die Wanderung vorbereitet: Wirbelsäulen-Gymnastik, Kraftausdauer, Herz-Kreislauf-Training: „Einen solchen Marsch schafft man nicht ohne Vorbereitung“, sagt Timmers-Trebing. Bis zu 3000 Meter hoch geht es auf einige Pässe, die bei der Tour im September sogar schon verschneit waren. „Das war für uns alle anstrengend“, blickt auch Paust zurück. Für viele der Teilnehmer bleibt nach der Tour das Gefühl, wieder Herr über den eigenen Körper zu sein – endlich.