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Der Ruf des Berges war unüberhörbar und er richtete sich ausgerechnet an Krebspatienten, und zwar an solche, die zuvor nicht als Leistungssportler aufgefallen sind. Fünf Tage lang sind sie über die Alpen gewandert: 52 Kilometer, 8000 Höhenmeter.

„Überquer die Alpen“, lautete die Ermunterung, und sieben Teilnehmer können jetzt sagen: „Wir haben’s geschafft!“ Im August sind sie fünf Tage lang von Innsbruck nach Meran gewandert, haben 52 Kilometer zurückgelegt und bergauf, bergab 8000 Höhenmeter bewältigt. Haben das Ötztal, das Stubaital und ihre Grenzen kennengelernt.

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Von DerWesten

Damit hat das Projekt „Transalp“ ein wichtiges Ziel schon erreicht. „Sport kann helfen, das Vertrauen in die Kräfte des Körpers zurückzugewinnen“, hat Rainer Paust gesagt, als die Tour im Oktober 2009 vorgestellt wurde. Paust betreut im Elisabeth-Krankenhaus die Psychoonkologie und hatte beobachtet, dass viele Krebskranke in ein Loch fallen, wenn sie Operation, Chemo- und Strahlentherapie hinter sich haben. Dann folge eine Zeit des Bangens, werde dem eigenen Körper misstraut.

Gemeinsam mit Ulla Timmers-Trebing vom Verein für Gesundheitssport und Sporttherapie (VGSU) und dem Internisten Roland Rudolph entwickelte Paust das Projekt „Transalp“, das offensichtlich einen Nerv traf: Zum ersten Info-Abend kamen gut 50 Krebspatienten, immerhin die Hälfte von ihnen nahm an der sechsmonatigen Vorbereitung teil. Manchem war das bereits genug, andere bekamen nicht das ärztliche Okay für die Strapaze. Am Ende gingen neben den drei Organisatoren und dem Bergführer fünf Frauen und zwei Männer zwischen 30 und 62 Jahren auf Bergtour.

Eine Spaziergängerin auf Bergtour

Eine von ihnen war die 43-jährige Ingrid, die sich selbst als „Typ Spaziergängerin“ bezeichnet. Als sie sich nach ihrer Brustkrebs-Operation fünf Tage lang nicht bewegen konnte, erzählte ihr eine Ärztin von den Bergen. „Das Bild ließ mich nicht los!“ Und so war sie sofort dabei, als sie von Transalp hörte, ließ sich nicht entmutigen, als ihr ein Leistungstest noch eine bescheidene Kondition bescheinigte.

Der Schellenberger Wald, der Weg zur Platte - so hießen ihre ersten Herausforderungen. Sie lernte schmerzende Knie und den Respekt vom Rucksack kennen, bevor der Spaß am Wandern kam.

In den Alpen war sie täglich sechseinhalb Stunden auf den Beinen - alles andere als ein Spaziergang. Ingrid lacht nur: „Wir waren abends nicht mehr tanzen!" Sondern fielen ins Bett oder Bettenlager. „Dabei bin ich bekennende Sterne-Bucherin. Keine Dusche, oder nicht mal warmes Wasser, das war gewöhnungsbedürftig.“

Beim Laufen die Krankheit vergessen

Andererseits schwärmt sie vom „Gruppen-Spirit“; denn im Leben wie im Berg geschehen unvorhergesehene Dinge, bei denen man Hilfe braucht. Und so paart sich ihr Stolz auf ihre Leistung mit der Gewissheit: „Es gibt Menschen, die mich auffangen, wenn ich ein Tief habe.“ Mit der Angst vor einer neuen Erkrankung müsse sie ja weiterleben.

Der 56 Jahre alte Rudi hat schon zwei Rückfälle hinter sich. Sein Lymphdrüsenkrebs werde wieder kommen, hat der Arzt ihm gesagt und geraten: „Machen Sie etwas, das Ihnen Spaß macht.“ Für Rudi war das schon immer Sport, er fährt Rad, sah das Wandern als neue Erfahrung. Als ihn der Bergführer an Tag vier allein vorgehen ließ, er sein eigenes Tempo fand, „war es ein geiles Gefühl, an meine Grenzen zu stoßen“. Oder wie es Rainer Paust formuliert: „Man stellt der Angst um den Körper eine andere Erfahrung entgegen.“

Exakt geprüft wird die Leistungssteigerung von der Sporthochschule Köln, die Transalp wissenschaftlich begleitet. Für die Teilnehmer steht bereits fest, dass sie a) fit sind und b) künftig allmonatlich gemeinsam wandern wollen. Wie sagt Rudi: „Während des Laufens war die Krankheit weg!“