Essen. Das Projekt Transalp hat sich zum Erfolgsmodell entwickelt: In diesem Jahr starten zum dritten Mal Krebspatienten zur Alpen-Überquerung. Die Teilnehmer machen eine intensive Naturerfahrung und gewinnen neues Vertrauen in ihren Körper.
Als sie vor knapp zwei Jahren erstmals an den Start ging, bewegte sich die Unternehmung irgendwo zwischen Experiment und Therapie: Sieben Krebspatienten überquerten damals die Alpen, überwanden Schnee und Steigung und legten in fünf Tagen 52 Kilometer zurück. Inzwischen gab es eine zweite Transalp-Tour, die dritte ist für diesen Herbst geplant. Das Experiment wird zum Erfolgsmodell.
Ulla Timmers-Trebing vom Verein für Gesundheitssport und Sporttherapie (VGSU), der Internist Dr. Roland Rudolph und Rainer Paust, der die Psychoonkologie im Elisabeth-Krankenhaus betreut, haben es schon damals gewusst: „Bewegung fördert den Heilungsprozess.“ Ganz neu ist die Erkenntnis nicht, räumt Rudolph ein: „Bis in die 80er Jahre haben viele Ärzte noch zur Schonung geraten, inzwischen weiß es die Reha-Medizin besser.“ Trotzdem sind viele Krebspatienten nach Operation, Chemo- und Strahlentherapie unsicher, welche körperliche Belastung sie sich zumuten können.
Bei vielen ist das Vertrauen in den Körper angeknackst
„Bei vielen herrscht große Ratlosigkeit, das Vertrauen in den eigenen Körper ist angeknackst“, weiß Ulla Timmers-Trebing. Während dem einen nach einer langen Auszeit zumute sei, suche der andere rasch neue Herausforderungen. An dieser Stelle setzt „Transalp“ an: Es geht um eine Ausdauerbewegung, die erstens sehr förderlich und zweitens von fast jedem gut zu bewältigen ist – wenn man sich richtig vorbereitet. Sechs Monate haben die Teilnehmer, um sich für die Begegnung mit dem Berg zu wappnen.
In der Zeit gibt es einmal pro Woche einen verbindlichen Trainingstermin, zwei weitere wöchentliche Einheiten müssen sich die Teilnehmer selbst organisieren. „Anfangs-Motivation allein reicht nicht, man braucht auch die Bereitschaft, sich strukturiert vorzubereiten und dranzubleiben“, betont Rainer Paust.
Wer schon im Vorgespräch ankündigt, seine Grenzen überschreiten zu wollen, wer seine körperliche Fitness erkennbar überschätzt, ist kein geeigneter Kandidat für Transalp. „Wir fordern, ohne zu überfordern“, sagt Timmers-Trebing. Ohne ärztliches Okay darf sich niemand auf die Tour begeben, aber wer dabei ist, soll sich nicht als Patient fühlen, sondern als Wanderer.
„Ich laufe nicht im Arztkittel mit, sondern in Zivil“
„Ich laufe auch nicht im Arztkittel mit, sondern in Zivil“, verspricht Rudolph. Gut vorbereitet, ärztlich begleitet, mitgezogen von der Gruppe und doch auf die eigene Stärke gestellt, sei die Wanderung eine intensive Erfahrung, die vielen neues Vertrauen in ihren Körper schenke. 2011 sind 13 Teilnehmer zwischen 37 und 65 Jahren von Mayrhofen nach Bozen gewandert, haben gemeinsam 78 Kilometer, 7800 Höhenmeter, Kletter- und Hängepartien bewältigt.
„Manche Etappe war schon so lang, dass am Abend keiner nach einer Zusatzrunde fragte“, sagt Timmers-Trebing. Am Ziel aber überwog das gute Gefühl: „Ich fühl mich nur noch halbkrank“, resümierte einer der Wanderer. Längst haben die Pioniere, die im Herbst 2010 die Alpen überquerten, eine Selbsthilfegruppe gegründet, um ihre Fitness und das Zusammengehörigkeitsgefühl zu bewahren. Längst läuft die Anmeldung für die dritte Tour.
Ermutigt durch die guten Ergebnisse, planen Paust, Rudolph und Timmers-Trebing das nächste Projekt – mit unheilbar Krebskranken. Denn mancher von ihnen werde lange mit der Krankheit leben: „Da kommt es auf eine möglichst gute Lebensqualität an.“
Die Anmeldung für die dritte Tour läuft
Die nächste Transalp-Tour führt vom 23. bis 29. September von Kufstein nach Bruneck. Die Vorbereitung läuft ab März bis zum Tour-Start. Sie beinhaltet Herz-Kreislauf-Training, Wirbelsäulengymnastik, Mentaltraining sowie zwei Testtouren und ist als Primärprävention förderungsfähig. Die Transalp-Tour kostet 750 Euro (inkl. sechs Übernachtungen, Transfer vor Ort und Bergführung). Krebspatienten sollten ihre Primärtherapie 2010/11 abgeschlossen haben. Im Februar gibt es Aufnahmegespräche: Ansprechpartnerin ist Ulla Timmers-Trebing vom VGSU, Henri-Dunant-Straße 65, 183 73 73.