Essen-Rüttenscheid. . Mit seinem Barbier-Salon hat Guido Bösherz einen Nerv getroffen: Seine Kunden kommen mittlerweile aus Köln und Frankfurt, um sich Bärte und Haare stutzen zu lassen. Der Bart ist längst wieder salonfähig geworden, „die Zeiten, in denen sich viele Männer Gesicht und Brust rasierten, sind vorbei“, sagt Bösherz.

Chicago-Jazz und Swing wabern dezent im Hintergrund, der Duft von Pomaden und Aftershaves steigt in die Nase. Neben der schweren Registrierkasse steht ein Wählscheiben-Telefon, das hin und wieder jene Ruhe unterbricht, die die Kunden von Guido Bösherz so sehr schätzen.

Wer seinen Barbier-Salon an der Klarastraße betritt, macht unweigerlich eine kleine Zeitreise. In jene Jahrzehnte der Grammophone, dicken Polstersessel, Schwarz-Weiß-Fotografien, vor allem aber der akribisch gestutzten Bärte. Bösherz selbst liebt den Retro-Stil, trägt Hosenträger, Schiebermütze und hat sein Moped, eine Triumph Knirps aus dem Jahr 1955, vor seinem Laden geparkt.

Interieur 20 Jahre lang gesammelt

20 Jahre lang hat der Friseur auf Trödelmärkten und im Internet all jene antiken Gegenstände zusammengetragen, um sich irgendwann seinen Lebenstraum vom eigenen Barbier-Salon zu erfüllen. „Die beiden Kinder sind aus dem Haus, das war jetzt genau der richtige Zeitpunkt“, sagt Bösherz, der 30 Jahre lang als Angestellter in diversen Salons arbeitete. Seine Entscheidung für die Selbstständigkeit hat er nicht bereut, im Gegenteil: Seit der Eröffnung im April rennen ihm die Männer buchstäblich die Bude ein.

„Mittlerweile habe ich Kunden aus Köln und Dortmund, einer kommt sogar aus Frankfurt. Mit einer solchen Resonanz hätte ich nicht gerechnet“, sagt Bösherz. Mit seiner Idee wolle er in erster Linie den klassischen Herrensalon wiederbeleben. „In den gemischten Salons sind Männer zwischen Strähnen, Dauerwellen und viel Chichi oft verloren. Ich wollte einfach einen Ort schaffen, an dem ich mich auch selbst wohl fühlen würde“, sagt der 45-Jährige. Kein Sekt, kein Käffchen, keine Haarwäsche und kein aufgezwungenes Schwätzchen, wenn Mann keine Lust darauf hat. Stattdessen klassische Nassrasur, Haarschnitt und Frisur, auf Wunsch mit duftender Pomade: „Ich mache hier nur das, was ich am Besten kann: Haare schneiden“, sagt Bösherz.

Bärtige Vorreiter wie Ashton Kutcher und George Clooney

Mit seinem Fokus auf gepflegte Bärte und Herren-Frisuren hat er nicht zuletzt die Zeichen der Zeit erkannt. Bärte, ob gezwirbelt oder dicht, ob zur Glatze oder zur langen Mähne getragen, sind längst wieder salonfähig geworden, nicht nur in der Rockabilly-Szene. „Die Zeiten, in denen sich jeder Mann Gesicht und Brust glatt rasierte, sind vorbei. Immer mehr zeigen ihre Männlichkeit. Was die Frauen angeht, gibt es zwei Lager: Jenes, das Bärte liebt, und das andere, das sie verabscheut.

Zum Glück gehört meine Frau seit 22 Jahren zur ersten Gruppe“, sagt Bösherz und lacht in seinen dichten gepflegten Bart. Letzterer sei mittlerweile nicht mehr wegzudenken. In Hollywood etwa hat sich der Trend längst durchgesetzt: George Clooney, Keanu Reeves und Ashton Kutcher gehören zu den bärtigen Vorreitern – auch, wenn man entsprechende Hochglanzmagazine mit ihren Gesichtern bei Bösherz nie finden würde. Ebenso wenig wie den Playboy oder ähnliche Publikationen. Stattdessen liegen ein paar Motorrad-Magazine und anspruchsvoller Lesestoff auf den antiken Beistell-Tischchen aus, „ich will hier keine Klischees“, sagt Bösherz.

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Warum er sich mit seiner ungewöhnlichen Idee für Rüttenscheid entschieden hat? „Mein Sohn lebt hier, so habe ich den Stadtteil kennengelernt. Hier sagt man sich noch Guten Tag, die Leute kennen sich, und hier leben Menschen mit Ideen. Deswegen ziehe ich in vier Wochen von Gladbeck auch hierher“, sagt Bösherz.