Essen. Hartz IV-Empfänger Ronny fegt seit knapp anderthalb Jahren frühmorgens die Rüttenscheider Straße in Essen, ohne dafür bezahlt zu werden. Für viele ist er auf dem Arbeitsweg längst Kult. Ronny selbst sagt, er wolle auf diesem Weg der Gesellschaft etwas zurück geben. Auch, wenn die ihn nicht immer gut behandelt.
„Da hast du aber jetzt gut zu tun“, ist ein Spruch, den Ronny schon den ganzen Morgen über hört. Einem Teil der Orkan-Folgen, die auf der Rü glücklicherweise nicht allzu dramatisch sind, ist der 53-Jährige mit seinem Besen schon zu Leibe gerückt, hat kleinere Äste und Laub zusammengekehrt.
Mittlerweile gehört Ronny, der nur so genannt werden möchte, auf dem Stück zwischen Martinstraße und Rewe-Markt morgens zum Stadtbild dazu. Menschen in Anzügen hasten an ihm vorbei, hören sein freundliches „Guten Morgen“ vermutlich nicht einmal. Andere bleiben stehen, fragen wie es ihm geht. „Heute keine Erdbeeren gekauft?“, fragt Ronny eine ältere Dame, die aus dem Supermarkt schlendert. Es folgt ein kurzer Plausch über die Vorteile deutscher Erdbeeren gegenüber Import-Früchten. Eine Anwaltsgehilfin rügt er wenig später scherzhaft, weil sie so ungewöhnlich spät dran ist. „Ich bin aus Borbeck gelaufen, es fährt ja nichts“, rechtfertigt sich die Frau und lächelt zurück.
Werktags ab 7 Uhr, egal bei welchem Wetter
Ronny kennt die Menschen hier. Seit fast anderthalb Jahren fegt der Hartz-IV-Empfänger den Straßenabschnitt, ohne dafür je einen Cent gesehen zu haben. Als er die Obdachlosenzeitung vor dem Supermarkt verkauft habe, hätten ihn all die Kippen auf dem Boden gestört. „Da habe ich bei Rewe nachgefragt, ob ich einen Besen kriege. Seitdem mache ich das und fege bis zur Commerzbank runter. Montags bis samstags ab 7 Uhr, egal bei welchem Wetter“, erzählt Ronny, der vor gut 20 Jahren von Berlin nach Essen zog.
Seinem ursprünglichen Job als Schlosser konnte er hier nicht nachgehen, „im Osten hatten wir veraltete Standards damals“, sagt Ronny, der trotz einiger Tiefen in seinem Leben, über die er lieber schweigt, eigentlich immer ein Lachen und eine Zigarette auf den Lippen hat. Sechs Jahre habe er in Berlin als Obdachloser gelebt, „aber immer mit einem Dach überm Kopf, ich bin oft bei Freunden untergekommen“, erzählt er. Heute lebt er „nur zehn Minuten mit dem Rad von der Rü entfernt“, in seiner eigenen Wohnung, „hält sich irgendwie über Wasser“. Er habe auch schon bei den Entsorgungsbetrieben nach einem Job gefragt; „aber die haben abgelehnt. Dabei würde mir etwas auf 450-Euro-Basis ja schon reichen.“
Einen Urlaub würde sich Ronny gerne gönnen
Warum er ohne Bezahlung die Straße kehrt? „Ich kann doch nicht den ganzen Tag zu Hause sitzen. Außerdem wäscht eine Hand die andere. Ich habe das Gefühl, der Gesellschaft so etwas zurück zu geben“, sagt Ronny. Eben die ist es aber auch, die ihm manchmal mit Missachtung oder gar Beschimpfungen begegnet. „Habe ich hier alles schon erlebt. Leute, die mir, während ich fege, ihren Müll vor die Füße werfen“, erzählt er. Im Großen und Ganzen aber gehört Ronny für die meisten auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule einfach dazu, sie freuen sich und grüßen freundlich. Welchen Luxus er sich gerne gönnen würde? „Ein Urlaub wäre schön“, sagt der Straßenkehrer, der zuletzt vor 20 Jahren in Schweden war – als Dankeschön dafür, dass er eine Obdachlosenhilfe in Berlin mit aufgebaut hatte. Ehrenamtlich natürlich.