Essen-Haarzopf. . Den Haarzopfer Bürgern bereitet die massive Bebauung große Sorgen. Sie fürchten um den Stadtteil-Charakter. Die Verwaltung verweist in Sachen Baugenehmigungen auf die Rechtslage, ein Investor auf den Zeitgeist.
Die Haarzopfer fürchten um den Siedlungscharakter ihres Stadtteils. Das wurde auf einer Bürgerversammlung in der Kirche Christus König deutlich, zu der SPD-Ratsherr Thomas Rotter eingeladen hatte. „Die Grenzen sind fast erreicht“, kommentierte Rotter die massiven Bauprojekte und -vorhaben und erntete dafür Beifall bei fast allen Anwesenden.
Im Mittelpunkt standen die Bauprojekte im Bereich Stubertal/Schlingmannsweg und die geplante Bebauung des alten Tennisplatzes am Sonnenscheinsweg, gegen die die Nachbarn Unterschriften sammeln. Muss das Gelände, auf dem ein Investor drei Mehrfamilienhäuser bauen will, wie eine „zusammenhängend bebaute Ortslage“ behandelt werden? Oder ist es ein der Erholung vorbehaltener Außenbereich?
Nicht zu bebauender „Außenbereich“
Liegt der ehemalige Tennisplatz noch im Landschaftsschutzgebiet oder ist diese Einstufung ein Relikt aus einem veralteten Plan, so dass das Areal aus dem Landschaftsschutz entlassen werden muss? Im Gespräch mit Detlef Robrecht, Leiter der Bauaufsicht beim Stadtplanungsamt, wollten die Bürger den Argumenten der Verwaltung nicht recht folgen. Fritz Gerstung von der Bürgerinitiative gegen die Bebauung machte deutlich, dass der Anwalt der Nachbarn die Fläche eindeutig als nicht zu bebauenden „Außenbereich“ einstufe. Robrecht erläuterte die Haltung der Stadt: Man wolle keine weiteren Freiflächen opfern, sondern Baulücken schließen und vorher bereits bebaute Flächen erneut nutzen. In Sachen Sonnenscheinsweg warte man jetzt auf die Entscheidung der Bezirksregierung.
Einen schweren Stand hatte Peter Reichel, Senior-Chef der Firma Mediconsult, die am Sonnenscheinsweg bauen will. Er erläuterte, dass Häuser mit Flachdach nicht nur dem Zeitgeist entsprächen, sondern auch die einzige Alternative seien, wenn man barrierefrei bauen wolle: „Einen Aufzug bis oben kann man nur in Häusern mit Flachdach installieren.“
Eine „restriktive, strenge Genehmigungspraxis“
Gerd-Ulrich Kapteina, Richter und Sprecher des Arbeitskreises Essen 2030, erläuterte die juristischen Hintergründe. In zusammenhängend bebauten Ortslagen komme es darauf an, dass ein Neubau in Art, Maß, Grundstücksfläche und Bauweise so gestaltet werde, dass er sich in die Eigenarten der näheren Umgebung einfüge. Orientierung biete immer das höchste bereits vorhandene Gebäude. Den Verantwortlichen der Stadt empfahl Kapteina eine „restriktive, strenge Genehmigungspraxis“. „Städtebauliche Qualität kann man nicht erzwingen. Wunsch und rechtlicher Anspruch sind zwei Dinge“, so Kapteina.
Das Vertrauen von Carolin Wolf und Rainer Oberkötter, die sich für den Erhalt des Siedlungscharakters im Stubertal engagieren, in die Baubehörden ist denkbar gering. Sie erfuhren, dass Nachbarn „keinen Anspruch auf Bewahrung städtebaulicher Strukturen“ und die Häuser dort keinen einheitlichen oder gar historisch wertvollen Charakter hätten. Oberkötter: „Der Stadtteil hat keine Zukunft.“