Essen. Kazim Çalisgan und Uri Bülbül vom Katakomben-Theater werfen Dezernent Andreas Bomheuer „heuchlerische interkulturelle Arbeit“ vor. Die Mitarbeit in Gremien zur kulturellen Integration werde verweigert, stattdessen werde Migranten lieber ein fertiges Konzept vor die Nase gesetzt.

Eine Kulturpolitik für prestigeträchtige „Leuchttürme“ und Verweigerung des interkulturellen Dialogs: Kazim Çalisgan, Betreiber des Katakomben-Theaters, und sein Mitstreiter Uri Bülbül lassen kein gutes Haar an der Politik des Essener Kulturdezernenten Andreas Bomheuer. Sie begrüßen die Debatte über die jüngsten Vorwürfe, den Integrationsetat nicht zweckgebunden zu verwenden. Seit ihnen 2008 die Fördermittel in Höhe von 20.000 Euro pro Jahr gestrichen wurden, sei der Wind in dem kleinen Theater im Girardethaus rauer geworden.

Mit welcher Intention haben Sie das Theater 2004 eröffnet?

Çalisgan: Unser Konzept hat auf dem bewährten Programm des Vorgängers, dem Satiricon-Theater, aufgebaut. Wir wollten jedoch mehr Platz für interkulturelle Veranstaltungen schaffen und eine Plattform für Jazz, Tanz und Theater aus aller Welt bieten. Damit haben wir damals offene Türen eingerannt, auch bei der Stadt.

Wie hat sich das Stimmungsbild heute verändert?

Çalisgan: Zunächst einmal ist unsere Förderung gestrichen worden. 20.000 Euro waren immerhin ein gutes Pfund, um einen Teil der laufenden Kosten zu decken. Uns wurde vorgeworfen, eine schlechte Buchführung zu haben. Kein Wunder, wir haben überhaupt kein bezahltes Personal und sind auch in diesen Fragen nicht so erfahren wie die etablierten Einrichtungen. Wie wäre es einmal interkulturelle Fort- und Weiterbildungsprojekte zu entwickeln, die Kulturschaffende mit Migrationshintergrund dazu befähigen und motivieren, auch professionell Finanzmittel akquirieren zu können? Stattdessen werden uns klassische Kulturprojekte als Integrationsprojekte verkauft.

Bülbül: Ich mache daraus ja keinen Hehl: Wir leben von der Hand in den Mund. Ich muss Monat für Monat überlegen, wie ich meine Beiträge für die Künstler-Sozialkasse zusammenbekomme. Was noch viel schwerer wiegt als die Mittelkürzung ist das Gefühl, dass unsere Arbeit politisch nicht wertgeschätzt wird.

Wie äußert sich das?

Bülbül: Ich toure regelmäßig mit Literaturprojekten durch Essener Schulen, um die Sprachkompetenz zu fördern, Kazim schafft vor allem durch die Musik Brücken zwischen verschiedenen Kulturen. Als wir bei den entsprechenden Gremien unsere Mitarbeit anboten, wurde die schlicht verweigert. Lieber setzt man den Migranten – wie jetzt im Kulturausschuss - ein fertiges Konzept vor die Nase, als sie daran mitarbeiten zu lassen.

Das ist ein harscher Vorwurf: Deutsche bevorzugt?

Çalisgan: Das kann man so sagen. Uns ist klar, dass gespart werden muss. Dennoch werden die Mittel lieber mit interkulturellem Anstrich in etablierte Leuchttürme gesteckt, als sich mit allen Akteuren – auch der freien Szene – an einen Tisch zu setzen und über eine sinnvolle Verteilung zu sprechen.

Aus welchen Mitteln finanziert sich denn dann das Katakomben-Theater?

Çalisgan: Wir arbeiten größtenteils projektbezogen. Das heißt, dass wir etwa für Schulbesuche, Theater- und Musikworkshops jeweils Anträge einreichen. Es ist nicht so, als dass wir überhaupt nicht gefördert würden. Allerdings bleibt kaum ein Cent übrig für Visionen und Planungssicherheit. Das erschwert die Kulturarbeit ungemein.

Was tun Sie konkret, um ihrem Motto „Kultur ohne Grenzen“ gerecht zu werden?

Çalisgan: Von der neuen Reihe „Jazz For The People“, über die erwähnten Projekte für Kinder und Jugendliche scheuen wir nicht die Auseinandersetzung mit kritischen Themen. Politisch ist für uns kein Schimpfwort. Deswegen freut es uns umso mehr, dass mit Serdar Somuncu am 14. und 15. Oktober einer der schonungslosesten Satiriker Deutschlands zu uns kommt. Die Abende sind ausverkauft.

Der füllt sonst locker große Hallen. Wie haben Sie ihn überzeugt?

Çalisgan: Das läuft wie fast alles bei uns über Kontaktpflege und ständigem Austausch. Serdar war 2009 zuletzt hier, so kamen wir ins Gespräch. Für ihn ist es schön, in kleinerem Rahmen zu spielen – mit Gage können wir keinen locken. Schön ist, dass uns viele Künstler unterstützen. Bei der Jazzreihe geht ein Hut rum, andere spielen gegen kleinen Eintritt. Das Theater ist eine Herzensangelegenheit.

Was wünschen Sie sich für die künftige Kulturpolitik?

Çalisgan: Dass man unser Potenzial nutzt. Wir haben früher intensiv mit der Philharmonie zusammengearbeitet und Projekte auf die Beine gestellt. Ich würde mir eine Fortsetzung wünschen. Die kleinen Leuchttürme dieser Stadt müssen wieder ins Licht gesetzt werden.