Essen-Rüttenscheid. . Anwohner der Bertoldstraße sind auch mit dem veränderten Bebauungsplan nicht einverstanden, den die Stadt zum Büro- und Geschäftskomplex „Rü 62“ vorlegt. Sie stört weiterhin die „gute Aussicht“ in ihre Gärten und Wohnungen. Ihre Einwände seien von Beginn an nicht berücksichtigt worden, so die Kritik.

Der Büro- und Geschäftskomplex „Rü 62“ wird als Aufwertung für den Rüttenscheider Stern und den Stadtteil gefeiert. Den Anwohnern der Bertold­straße ist der 50-Millionen-Euro-Prachtbau der Projektentwickler Kölbl & Kruse und der Immobilien GmbH Brockhoff & Partner jedoch – zumindest teilweise – ein Dorn im Auge.

Im Mai gab das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Anwohnerklage gegen den Bebauungsplan der Stadt Essen Recht und erklärte ihn damit für ungültig. Da ein Abriss „unverhältnismäßig“ sei, wie es die Stadt formulierte, versucht die Verwaltung nun, mit einem abgeänderten Bebauungsplan Rechtssicherheit herzustellen. Bis vergangenen Montag lagen die Pläne im Rathaus aus.

Essener Landgericht entscheidet über Schadenersatz

Parallel hat die Stadt beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig Beschwerde eingelegt, um doch noch eine Revision gegen das OVG-Urteil zu erreichen. Denn ob allein der veränderte Bebauungsplan am Ende zum Erfolg führt, das zweifelt etwa Jan Teigelack, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht der Rüttenscheider Kanzlei Linten, an. Er vertritt einen Anwohner zivilrechtlich. Aktuell ist noch ein Verfahren beim Landgericht Essen anhängig, bei dem über den Schadenersatz für die während der Bauzeit entstandenen Beeinträchtigungen verhandelt wird.

Generell, klärt Teigelack auf, gehe es den Anwohnern nicht um den Hauptkomplex, sondern vielmehr das Bürogebäude im Innenhof: „Noch während des Planungsverfahrens haben die Anwohner ihre Bedenken vorgebracht: Dass ihnen die Mitarbeiter aus den Büros und die Kunden, die über das begrünte Flachdach zum Parkhaus gehen, in die Fenster und Gärten schauen können.“

Anwohner legten bereits Widerspruch bei der Stadt ein

Genau diese Befürchtung habe sich nun bewahrheitet. Das Angebot von Kölbl & Kruse, dort als Sichtschutz eine Begrünung zu installieren, sei nicht hinnehmbar: „Dann wird die Mauer, die jetzt schon sechs Meter höher ist als zu Kar­stadtzeiten, noch mal zwei Meter nach oben gesetzt.“ Teigelack rechnet damit, dass sich die Verfahren noch über Monate hinziehen – auch gegen den nun abgeänderte Bebauungsplan wollten die Anwohner Klage einreichen.

„Wir haben bereits einen Widerspruch an den Planungsdezernenten Best geschickt. In dem neuen Plan werden nur verbale Kunststückchen vollführt, ansonsten hat sich nichts geändert“, kritisiert Jochen Herborn stellvertretend für die Anwohner. So seien etwa die vom OVG geforderten Lärmschutzmaßnahmen nicht berücksichtigt worden. Von Anfang an hätten die Anwohner für eine zweistöckige Bauweise des Gebäudes im Innenhof plädiert, seien aber schlicht ignoriert worden.

Kölbl & Kruse verweist darauf, dass die Verantwortung bei der Stadt liege, dem Unternehmen aber gleichwohl daran gelegen sei, „eine Einigung mit allen Seiten zu erzielen“.