Essen-Stadtwald. Die Schlagerfreunde Essen hören seit 1996 mit Vorliebe Lieder von Herzschmerz und Fernweh - und beschäftigen sich mit der Geschichte ihrer Lieblingsmusik. Sie tragen Nylon-Klamotten mit Rüschen und haben sich die „Erhaltung des deutschen Liedguts“ auf die großen Kragen geschrieben.

Michael Holm ist Ehrenmitglied, Guildo Horn sowieso, Udo Jürgens hatte dagegen kein Interesse, es gab Kontakt zu Dieter Thomas Heck: Kontaktfreudig sind sie auf jeden Fall, die Schlagerfreunde Essen. 1996 gründeten sie sich zur „Erhaltung des deutschen Liedguts, insbesondere der Schlagermusik“.

Die Fans von Heile-Welt-Texten mit den Schlüsselworten Liebe, Herzschmerz und Fernweh stehen musikalisch besonders auf die 1960er und 1970er Jahre. Zumindest die drei, die uns ihren Verein vorstellten. Zum Fototermin erschienen Robert Bosch (40), Geschäftsführer des Sozialprojekts „Kfz-Werkstatt Alte Schmiede“, Guido Kuhlmann (40), im IT-Bereich bei einem Kredit-Unternehmen tätig, und Jochen Guntermann (36), kaufmännischer Angestellter, in Nylon-Klamotten mit Rüschen und großen Krägen. Im wirklichen Leben seien sie ganz normal, halt nur mit einer Vorliebe für Schlagermusik, versichern sie grinsend. Gelegentlich trifft man sie in der „Drehscheibe“, der wohl einzigen Schlager-Kneipe Essens.

„Das war eigentlich damals gar nicht so unser Ding“

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Alles begann, als jemand bei einer Fete im Partykeller eine Kassette mit Schlagermusik einlegte. „Das war eigentlich damals gar nicht so unser Ding. Aber trotzdem irgendwie lustig. Wir kannten die Lieder ja von unseren Eltern“, erinnert sich Robert Bosch. Und im Laufe der Zeit entwickelte sich ein echtes Hobby daraus. Mit der Vereinsgründung wollten sie ihre Leidenschaft „in eine Form gießen“, eine Verbindlichkeit schaffen.

In den 1990ern sei auch die Zeit der Schlagerparodien vom Schlage eines Guildo Horn oder Dieter Thomas Kuhn gewesen. Ob Parodie oder echter Herzschmerz - die Schlagerfreunde, inzwischen auf rund 90 Mitglieder angewachsen, sind offen für alle Richtungen. Wichtig sind eigentlich nur die deutschen Texte, aber selbst da gibt es Ausnahmen. „Das ist ja das Schöne: Die Welt des Schlagers ist ausgesprochen vielfältig und facettenreich“, erklärt Guido Kuhlmann, der schon im zarten Alter von drei Jahren - damals noch unfreiwillig - dieser Musikrichtung lauschte: „Was sollte ich machen: Meine Eltern haben die Musik gehört, die ZDF-Hitparade geschaut, und es gab ja nur drei Programme.“

Apropos Hitparade: Die Schlagerfreunde haben den dritten Samstag im Januar, den Tag, an dem 1969 die erste Hitparade ausgestrahlt wurde, zum „internationalen Gedenktag des deutschen Schlagers“ ausgerufen. Die Resonanz auf das ungewöhnliche Hobby der Schlagerfreunde ist in der Regel positiv: „Die meisten sind überrascht, dass wir so jung sind“, sagt Jochen Guntermann.

Es darf auch schon mal Country sein

Wenn sich die Schlagerfreunde Essen - in der Regel einmal im Monat - treffen, dröhnt keineswegs zwangsläufig „Mendocino“, „Fiesta Mexicana“ oder „Schöne Maid“ aus den Boxen. „Wir treffen uns nur selten ohne Anlass“, sagt Jochen Guntermann. Zweimal im Jahr gibt es Schulungen mit Experten, zum Beispiel jüngst zur Geschichte des deutschen Schlagers. Ansonsten stehen Kohlfahrt, Sommer-, Sport- und Weihnachtsfeste, Ausflüge und Pilzwanderungen auf dem Programm. „Oft treffen wir uns bei einem Mitglied in Stadtwald in der Wohnung oder mit einigen Leuten in Rüttenscheid zum Kegeln“, sagt Robert Bosch, der privat am liebsten WDR 4 hört.

Nicht jeder hört pausenlos deutsche Schlager. Es darf auch schon mal Country oder Western sein. Klar sei aber, dass die wenigsten Schlagerfans Volksmusik mögen. „Schlagerverbot“ in den eigenen vier Wänden hat noch keiner von ihnen. „Wir sind tolerant, und unser Umfeld ist es wohl auch“, grinst Guido Kuhlmann.

Die Mitglieder sind zwischen 19 und über 80 Jahre alt. „Na ja, die meisten sind schon zwischen 35 und 40“, so Bosch. Auffällig ist, dass die Männer dabei deutlich in der Überzahl sind. Da sage noch einer, das starke Geschlecht habe nichts für Gefühle übrig . . .