Essen-Fulerum. Politiker wollen Friedhofsplatz in Essen nach kommunistischem Bildhauer benennen, sind aber nicht zuständig. Auch Gedenktafel ist umstritten.

Der Vorschlag, den Vor- und Innenplatz des Südwestfriedhofs nach dem Künstler Will Lammert zu benennen, ist vorerst vom Tisch. SPD und Grüne in der Bezirksvertretung (BV) III wollten den Bildhauer ehren, der wegen seiner kommunistischen Gesinnung umstritten ist. Wegen der überbezirklichen Bedeutung des Platzes ist die BV nicht zuständig, sagt die Stadt Essen. Jetzt soll eine Gedenktafel für den Künstler aufgestellt werden – was die CDU erneut ablehnt. Der Streit geht weiter.

Der Bildhauer Will Lammert (1892-1957) lebte und arbeitete von 1922 bis 1933 auf der Margarethenhöhe. Lammert gehörte zur dortigen Künstlerkolonie, die nach Ansicht von SPD und Grünen in der BV III als künstlerisches Experiment von großer Bedeutung für die kulturelle Entwicklung der Stadt gewesen sei.

Die Bezirksvertretung hat bei der Namensgebung keine Entscheidungsgewalt

Die Mehrheitsentscheidung der Bezirksvertretung für den Namen Will-Lammert-Platz vom November 2019 bleibt jedoch ohne Konsequenz. Die Verwaltung hat inzwischen eine rechtliche Bewertung vorgenommen und den Bezirkspolitikern auf der jüngsten Sitzung mitgeteilt, dass sie in dieser Sache keine Entscheidungsgewalt hätten.

Der Vorplatz des Südwestfriedhofs sei von überörtlicher Bedeutung, habe außerdem die Adresse Fulerumer Straße 15 b und gehöre damit zur Fulerumer Straße, die ebenfalls als überörtlich einzustufen sei. Zuständig für eine Benennung wäre also der Hauptausschuss. Zudem hätten nach Auskunft des Abteilungsleiters Friedhöfe bei Grün und Gruga auf allen 23 städtischen Friedhöfen in Essen Wege oder Plätze keine Namen, so die Verwaltung in ihrer Stellungnahme.

Auch über den Innenplatz des Südwestfriedhofs diskutierten die Politiker in der Bezirksvertretung III.
Auch über den Innenplatz des Südwestfriedhofs diskutierten die Politiker in der Bezirksvertretung III. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Für Günther Schröder, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Bezirksvertretung III, ist die Sache mit der Namensgebung für den Friedhofsvorplatz noch nicht ganz vom Tisch: „Damit soll sich dann jetzt der Hauptausschuss beschäftigen.“ Er verweist auf die Bedeutung des Künstlers. Wer mehr Werke des Bildhauers sehen wolle, könne das auf der Margarethenhöhe tun. Von Will Lammert stammten zum Beispiel die beiden Katzenskulpturen, die eigentlich am Robert-Schmohl-Platz zu sehen seien, aber derzeit restauriert würden. An der Metzendorfstraße 75, 77 und 79 seien die tönernen Figuren von Wolf, Bär und Widder über den Eingängen ebenfalls von Will Lammert.

Tafel soll an den Künstler erinnern

Wenn es schon mit der Benennung des Platzes nichts wird, wollen SPD, Grüne, Essener Bürgerbündnis/Piraten und Linke jetzt zumindest eine Gedenktafel in Erinnerung an den Bildhauer am Südwestfriedhof aufstellen lassen, was wiederum gegen die Stimmen der CDU (vier Gegenstimmen, eine Enthaltung) beschlossen wurde.

Künstlerkolonie bestand bis in die 1930er Jahre

Zeitweise existierte auf der Margarethenhöhe eine kleine Künstlerkolonie, die in den 1930er Jahren aufgelöst wurde. Von ihr existiert heute nur noch die Keramikwerkstatt Margarethenhöhe, die auf Zeche Zollverein beheimatet ist.

2019 jährte sich zum 100. Mal die Gründung des Kleinen Atelierhauses auf der Margarethenhöhe, das die Stifterin der Gartenvorstadt, Margarethe Krupp, für den Künstler Hermann Kätelhön bauen ließ. Es war die Keimzelle eines Künstlerkreises, zu dem neben Kätelhön vor allem die Bildhauer Joseph Enseling, Will Lammert und Richard Malin, die Maler und Grafiker Gustav Dahler, Kurt Lewy sowie Hermann und Philipp Schardt, die Goldschmiedin Elisabeth Treskow, die Buchbinderin Frida Schoy und der Fotograf Albert Renger-Patzsch gehörten. Ihr Wirken wurde 2019 mit der Ausstellung „Aufbruch im Westen“ des Ruhr-Museums gewürdigt.

„Mit dem Text der Gedenktafel, mit dem an Leben und Werk von Will Lammert erinnert werden soll, könnten sich der historische Verein und das Haus der Geschichte befassen“, so Günther Schröder, dem es wichtig ist, den Künstler und sein Werk gerade am Südwestfriedhof zu würdigen. Seine tönernen Skulpturen seien zum Beispiel am Torbogen im Eingangsbereich des Friedhofs zu sehen, auch in der Trauerhalle befinde sich ein Relief von Lammert.

CDU spricht sich auch gegen eine Gedenktafel aus

Inwieweit Lammert tatsächlich aus tiefester Überzeugung Kommunist gewesen sei, könne man heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, findet der Fraktionsvorsitzende. Dass er den Kommunisten nahe stand, sei aber unbestritten. Die Anregung, den Bildhauer zu ehren, indem man eine Straße oder einen Platz nach ihm benennt, sei von einem Frohnhauser Historiker ausgegangen.

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CDU-Bezirksvertreter Werner Ernst kann den Wunsch der anderen Fraktionen in der BV III nicht nachvollziehen: „Wir bleiben bei unserer Linie, uns nach rechts und links gleichermaßen abgrenzen zu wollen.“ Man habe seinerzeit den Denkmalschutz für den Drachenbrunnen des Nazi-Künstlers Adolf Wamper abgelehnt und wolle jetzt auch den kommunistischen Künstler Will Lammert nicht würdigen.

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Will Lammert, der eine Lehre als Stein- und Holzbildhauer absolviert hatte, war als Soldat im Ersten Weltkrieg schwer verwundet worden. 1932 trat er der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte Lammert 1933 mit seiner jüdischen Frau und den beiden Söhnen nach Paris, wurde aber 1934 aus Frankreich ausgewiesen und floh weiter in die Sowjetunion. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 wurde Lammert als Deutscher aus der Region Moskau ausgewiesen und in der Sowjetunion in die Verbannung geschickt.

Erst 1951 konnte der Künstler aus der Sowjetunion ausreisen und nach Deutschland, in die damalige DDR, zurückkehren. 1957 starb Lammert in Berlin. 1959 wurde ihm posthum der Nationalpreis der DDR verliehen.

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