Essen. . Das Nordviertel war nie eine bevorzugte Adresse. Beim Stadtteil-Check ist es Schlusslicht in der Kategorie „Sauberkeit“. Aber es tut sich etwas.
Ralf Weißke hat täglich damit zu tun: Mit wilden Müllkippen, mit Sperrmüll auf den Gehwegen und mit Säcken voller Hausmüll, die irgendjemand einfach am Straßenrand entsorgt hat. Ralf Weiße ist Quartiershausmeister im Nordviertel. In jenem Stadtteil also, den unsere Leser beim Essener Stadtteil-Check in puncto Sauberkeit mit „mangelhaft“ bewertet haben. In dieser Kategorie ist das Nordviertel das Schlusslicht unter allen 50 Essener Stadtteilen. Woran liegt’s?
Mülltrennung kennen viele im Nordviertel nicht
Das Nordviertel zählte noch nie zu den ersten Adressen der Stadt. Früher war es ein Arbeiterquartier. Auch heute sind die Mieten günstig, der Anteil an sozial Schwächeren, an Leistungsbeziehern und Migranten ist hoch.
So mancher Bewohner habe noch nichts gehört von Mülltrennung und wisse auch nicht, dass Sperrmüll kostenlos abgeholt wird, wenn man den bei den Entsorgungsbetrieben einen Termin vereinbart. Das gelte nicht nur für Zuwanderer, berichtet Ralf Weißke. Der Quartiershausmeister geht hin, wenn er am Altglascontainer zwischen Unrat Post mit der Adresse des Empfängers findet. Dann schellt er an, klärt die Leute auf. „Meistens funktioniert es danach auch“, erzählt Weißke. Aber die Fluktuation sei groß im Quartier. „Dann fängt man wieder von vorne an.“
Bewohner gründen einen Verein
Manuel Ceballos von der EBE kann die Straßen und Plätze aufzählen, an denen seine Kollegen immer wieder aufs Neue wilden Sperrmüll und andere Abfälle einsammeln: die Büderichstraße, die Eltingstraße, die Beisingstraße, die Sammelcontainer an der Altenessener Straße und an der Kleinen Stoppenberger Straße.
Für Müll auf den Straßen sorgen auch Besucher der Open-Air-Konzerte, die zwei Mal im Jahr in der nördlichen Innenstadt steigen, vor dem Café Nord und dem Turock. Billiges Bier und Pizza gibt es nur wenige Schritte entfernt an einem Kiosk an der Altenessener Straße/Ecke Blumenfeldstraße. Leere Pizzakartons landen dann gerne mal auf der Straße und in den Büschen.
EBE: Müll auf Straßen nur „punktuell“ ein Problem
Die Straßenreinigung kommt einmal die Woche. Die Stadt hat das gemeinsam mit der EBE so festgelegt. Käme sie öfter, müssten die zusätzlichen Kosten auf alle Anwohner umgelegt werden, betont Anja Wuschof, bei der EBE zuständig für die Reinigung. Müll auf der Straße sei aber nur „punktuell“ ein Problem.
Vor einigen Jahren noch sei es viel schlimmer gewesen, berichtet Nada Lazovic, die seit 59 Jahren im Eltingviertel lebt. Damals hätte die Deutschen Annington praktisch an jeden vermietet. Hauptsache, die Wohnungen waren belegt und die Miete kam rein.
Heute heißt der Vermieter Vonovia. Die Wohnungsgesellschaft investiert kräftig in ihren Bestand, das Eltingviertel soll so zum Vorzeigequartier werden. Noch ist ein Stück Weg bis dahin. Aber: „Es ist besser geworden“, bestätigt Anwohnerin Sandra Staszak.
Stammtisch „Buntes Nordviertel“ und neuer Anwohner-Verein
Die Bewohner haben es selbst in der Hand. Diesen Ansatz verfolgt Gabi Wittekopf vom Institut für Stadtentwicklung an der Universität Duisburg-Essen, das Nordviertel Stadtteilarbeit leistet.
Wittekopf und ihre Kollegen beraten und geben Anstöße, damit sich die Menschen mit ihrem Stadtteil stärker identifizieren, und das augenscheinlich mit Erfolg. Es gibt einen Bewohnerstammtisch. „Buntes Nordviertel“, ein Verein, in dem sich Anwohner organisieren, hat sich gegründet.
Bahndamm weicht für neue Häuser im Nordviertel
Auch die Stadt hat große Pläne. Der mächtige Bahndamm, der das Viertel von der Innenstadt trennt, soll abgetragen, das Areal bebaut werden. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die neuen Häuser stehen und die ersten Bewohner einziehen, aber es tut sich was im Nordviertel.