Essen. . Der Essener Arzt Michael Sollmann operierte im brasilianischen Urwald Menschen, die sich sonst eine Operation nicht hätten leisten können. Während der Vorrundenspiele der deutschen Nationalmannschaft stand Sollmann meist im OP. Mesut Özil unterstützt das Projekt und finanzierte elf Operationen.
Brasilien, Land der Gegensätze. Größter Eisenlieferant, reich an von armen Teufeln aus dem Erdreich gekratzten Bodenschätzen wie Silber oder Kohle. Und steinreich sogar, wenn’s um kostbare Edelsteine geht. In vielen Gegenden jedoch, da haben Millionen von Brasilianern noch weniger als nichts, woran auch der übertriebene und Milliarden schwere Hype rund um die Fußball-WM aber auch rein gar nichts ändern wird.
Ein medizinisches Versorgungssystem existiert, bleibt aber meist denen vorbehalten, die Geld haben. Zum Glück jedoch gibt’s Organisationen und Menschen, die gegensteuern und auch denen helfen, die sich Hilfe nicht leisten können. Versorgung, Operationen, Behandlungen. Allesamt kostenlos, nicht aber umsonst. Menschen wie etwa Dr. Michael Sollmann, im normalen Berufsleben Oberarzt in der Klinik für Handchirurgie am St. Josef-Krankenhaus in Essen-Kupferdreh.
Nationalspieler Mesut Özil finanzierte Operationen für elf Kinder
Seit Montag steht der 41-Jährige in Kupferdreh wieder am OP-Tisch oder gräbt sich durch Krankenakten, Diktate und wirtschaftlich notwendigen Bürokratismus. Vor wenigen Tagen aber, da gehörte Sollmann noch zur Startformation im Einsatzteam Interplast, in dem sich deutsche Chirurgen mit Mitarbeitern der Hilfsorganisation Bigshoe in der brasilianischen Provinz Coroata im nordöstlichen Bundesstaat Maranhao für hilfsbedürftige Brasilianer einsetzen – im tiefsten brasilianischen Urwald.
Im Vorfeld der WM hatte Nationalspieler Mesut Özil die Kosten für die Operationen von elf Kindern übernommen, „am Ende aber konnten wir auch dank anderer Spenden in der Zeit rund 120 Menschen behandeln“, so Sollmann.
Täglich zwölf Operationen im Buschkrankenhaus
Dass der Handchirurg an sich alle Hände voll zu tun hat, liegt in der Natur der Sache. In Brasilien aber fuhr Sollmann Extraschichten wie Sami Khedira vor der WM. „Wir haben dort im Buschkrankenhaus jeden Tag bis zu zwölf Operationen durchgeführt“, erzählt der Mann, der erstmals zwei Wochen lang ehrenamtlich mit von der Partie war und dafür eigens Urlaub und Freizeitausgleich genommen hatte.
Natürlich war das Drumherum anders als in Deutschland, gab‘s nicht den gewohnten administrativen Aufwand, und abends duschte man mit den Fröschen . . . „Sowohl die Narkose als auch die Technik entsprach aber den deutschen Standards. Vom OP-Besteck bis zum Verbandsmaterial haben wir alles mitgebracht.“ Equipment, das er ansonsten im OP vorfindet.
Auch nach der WM will der Arzt in Brasilien helfen
Viele Patienten hatten Tumore und angeborene Fehlbildungen, „und so war es schon ein tolles Gefühl, wenn etwa die Kinder ihre Hand zum ersten Mal normal einsetzen konnten“. Im nächsten Jahr jedenfalls will Sollmann wieder dabei sein, wieder helfen.
Und die WM an sich? „Bei den Vorrundenspielen der Deutschen stand ich meist am OP-Tisch, einmal aber haben wir ein Spiel der Brasilianer verfolgt.“ Da die große Übertragungstechnik ausfiel, hatten die Veranstalter kurzerhand einen kleinen Fernseher auf eine riesige Bühne gestellt. Sehen konnte man so gut wie nichts, gemeckert hat aber auch niemand. Was in Deutschland sicher anders gewesen wäre. Abgesehen von 1954.