Essen-Heisingen. 1978 kam Henner Höcker nach Essen und engagiert sich seitdem ehrenamtlich. Jetzt wurde er in Heisingen zum Vorsitzenden der Bürgerschaft gewählt.

Henner Höcker ist gerade rundum glücklich: Am 30. Mai kam das erste Enkelkind auf die Welt. Zwei Wochen nach Emils Geburt wurde der Rentner zum ersten Vorsitzenden der Bürgerschaft Heisingen gewählt. Nach rund 20 Jahren Mitgliedschaft im örtlichen Verein sitzt der 64-Jährige nun an oberster Stelle. Darum macht er kein großes Aufsehen. Lieber legt sich der in vieler Hinsicht sozial engagierte Siegerländer weiter für „sein Wohlfühldorf“ ins Zeug.

Dörflicher Geist hat die Bewohner seiner Heimat verbunden

Auch interessant

In Heisingen fand der ehemalige Hauptschullehrer vor rund 30 Jahren eine neue Heimat. Sein altes Dorf wurde abgerissen. Was der Anglist im Stadtteil zwischen Baldeneysee und Schellenberger Wald so schätzt, nennt er den „rural spirit“.

Diesen dörflichen Geist, der alle Bewohner verbindet, hatte er als Junge im Siegerland erfahren. Bis 1968. Dann musste er Nauholz verlassen. Der rund 160 Einwohner zählende Ort musste wie zwei weitere dem Bau der Obernau-Talsperre im Südwesten des Rothaargebirges weichen. Alle Wohnhäuser wurden im Rahmen von Feuerwehrübungen kontrolliert in Schutt und Asche gelegt, was man als „warmen Abbruch“ bezeichnete.

Auch interessant

Mit den Eltern und beiden Brüdern siedelte der Zwölfjährige in das nahe Netphen-Deuz um. Ebenfalls ein Dorf, doch keine richtige Heimat mehr für ihn und die anderen „Wasser-Vertriebenen“. „Geblieben sind Erinnerungen“, sagt Höcker. Nach Realschule und Aufbaugymnasium studierte er in Siegen Englisch und Deutsch.

Höcker empfindet die Menschen an der Ruhr als sehr offen

1978 landete der Junglehrer in Essen. In einer Frohnhauser Gastwirtschaft an der Hamburger Straße bat er um ein Zimmer. „Die Wirtin wollte wissen, wo ich herkomme. Und sie kannte doch tatsächlich Netphen. Sie gab mir ein Pils aus, und ich hatte meine erste Bude.“ Noch heute ist Höcker überzeugt: „Die Offenheit der Menschen an der Ruhr ist einzigartig. Fremde nimmt man schnell auf.“

Höcker blieb im Revier, heiratete eine Siegerländerin und zog 1990 mit Frau und zwei Kindern von Kupferdreh ins Heisinger Reihenhaus in Seenähe. 38 Jahre unterrichtete er an einer Bocholder Hauptschule. Im letzten Halbjahr vor der Pensionierung 2016 gehörte er zum Kollegium der Katernberger „Glück-Auf-Schule“.

Im historischen Rathaus am Hagmanngarten hält die Bürgerschaft freitags von 14 bis 15 Uhr eine Bürgersprechstunde ab.
Im historischen Rathaus am Hagmanngarten hält die Bürgerschaft freitags von 14 bis 15 Uhr eine Bürgersprechstunde ab. © Socrates Tassos

In Heisingen erinnert ihn das kleine Bergbau-Museum im Keller des evangelischen Altenzentrums Paulushof am Stemmering an die alte Heimat. „Mein Großvater war im Siegerländer Erzbergbau“, erzählt er. Dort Erz, hier Kohle. „Was zählt, ist die Arbeit unter Tage, die verbindet.“ Geschichtshungrig stieg Höcker in die Tiefen der Heisinger Archive und wirkt im örtlichen Museumskreis. Als Pensionär hat der „Alleskämpfer“, der sich früher auch im Lehrerrat einsetzte, gleich mehrere Ehrenämter.

Stadtteil- und Waldführungen sowie eine Rallye sind geplant

Kritisch betrachtet Höcker die Bebauung. „Quadratisch, praktisch, weiß“ seien viele neue Wohngebäude. „Eine moderne Bausünde, die man später bereuen wird.“ Gern würde die Bürgerschaft den Charakter des Quartiers bewahren. Eben diesen „rural spirit“, der über viele Generationen gewachsen ist.

Was Veranstaltungen betrifft, gibt es reichlich Pläne. Höcker möchte Stadtteil- und Waldführungen anbieten und Kunst im öffentlichen Raum etablieren. Eine Geschichts-Rallye für Kinder hat er ausgetüftelt. Doch wegen Corona fiel sie wie auch Konzerte und Lesungen aus.

Bürgerschaft hat ihren Vorstand neu gewählt

Das Amt des ersten Vorsitzenden der Bürgerschaft Heisingen e.V. hatte Henner Höcker nach dem Tod von Günter Kirsten im September 2019 zunächst kommissarisch übernommen. Neu gewählt wurde auch Andreas Kunze. Er ist zweiter Vorsitzender und Geschäftsführer der Bürgerschaft. Kassierer Bernd Reuter wurde in seinem Amt bestätigt.

Aktuelle Termine der Bürgerschaft Heisingen zeigt die Homepage auf www.heisingen.de.

Trotz Corona steht ein Termin fest im Kalender: das Weihnachtssingen am Brunnen vor der Bäckerei am 18. Dezember. „Um 17 Uhr gibt’s Punsch“, verspricht der Bürgerschaftsvorsitzende.

Müll sammeln beim „Waste Walk“ durch das Quartier

Auch die Natur liegt dem rund 170 Mitglieder zählenden Verein am Herzen, was nicht zuletzt die Baumpatenschaften zeigen. Dorfgemeinschaft ist beim „Waste Walk“ durchs Quartier gefragt, ein neues Projekt. „Denn selbst im Essener Süden gibt es Müllecken. Die wollen wir beseitigen“, erklärt Höcker.

Im historischen Rathaus am Hagmanngarten, wo auch standesamtliche Trauungen stattfinden, hält die Bürgerschaft freitags von 14 bis 15 Uhr Sprechstunde ab. Die Sorgen und Anregungen gibt man an Lokalpolitiker und Bezirksvertreter weiter. Auch das Verwaltungsgebäude hat Höcker auf dem Schirm. „Das Rathaus wurde in nur zehn Monaten gebaut und im Mai 1911 eröffnet“, weiß der Heimatforscher. Bis heute sei es ortsteilprägend und ein lebendiges Denkmal, von vielen Gruppen genutzt.

Auch interessant