Essen. In zwei Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst - Video und Grafik - geht es um den neuen Ansatz, auch in der wieder Geschichten zu erzählen. Eine Gegenbewegung zur lange vorherschenden Konzeptkunst und dem Diktat des nur Abstrakten.

Vor wenigen Jahrzehnten noch belächelt und verpönt in der zeitgenössischen Grafik, gewinnt das Prinzip des Erzählens als neuer Trend immer stärker an Bedeutung. Gleich zwei Ausstellungen widmet das Museum Folkwang jetzt dem Aspekt des Storytellings und führt in „Geschichten zeichnen“ und „Static Movement“ aktuelle Grafik und Filminstallationen zusammen.

Wie in einem großen Panaroma zieht zum Teil in Hochgeschwindigkeit die Landschaft zwischen Peking und Tibet aufgenommen aus einem Zug vorüber. „In the Between“ nennt Darren Almond seine Video-Arbeit, bei der die Tonspur eine ganz andere Geschichte - nämlich die von Tempo und Geschwindigkeit - erzählt, als die Bilder. Zwischen Panoramen vorübergleitender Landschaft finden sich immer wieder statische Aufnahmen, zum Beispiel von Mönchen tibetischer Klöster.

„The Algiers’ Section of a Happy Moment“

In seiner ersten Ausstellung als Kurator für zeitgenössische Kunst nutzt Marcel Schumacher die großen Räume der Halle für Wechselausstellungen und präsentiert ebenfalls großformatige Arbeiten von Anri Sala und David Claerbout. Der spielt in seiner Installation „The Algiers’ Section of a Happy Moment“ mit Blickwinkeln auf die Altstadt von Algier, eine Gruppe junger Leute und vor allem Details, wie vorbeifliegenden Vögeln: durch die unterschiedlichen Positionen oder zu Endlos-Schleifen zusammengeführte Perspektiven ein- und desselben Moments scheinen die Bilder sich zu bewegen.

Geschichten im wahrsten Sinne des Wortes erzählen die grafischen Arbeiten, zum Beispiel von Jana Gunstheimer. In „Methods of Destruction“ erfindet sie Stories, wie die von der Zerstörung eines Paul Klee-Bildes durch die Nazis, die nie stattgefunden hat. Sie zeichnet das angeblich beschädigte Werk wie eine Schwarzweiß-Repro, einschließlich „Zerstörung“ und liefert gleich schriftlich „historische Daten“ mit. Fiktive Geschichte, mit Hintersinn und Qualität.

Die Besinnung auf qualitätvolles Zeichnen lässt bei allen 12 beteiligten Künstlern erkennen. Minutiös dabei die Verbindung von Text und Zeichnung bei Andreas Seltzer in seinem seit 2003 entstehendem Mammutwerk „Reise zum Mittelpunkt der Erde“. Seither schuf er 162 Einzelarbeiten, in denen Seltzer den Roman Jules Vernes abschreibt (bis jetzt gut die Hälfte) und den Text mit Zeichnungen interpretiert und so zugleich erweitert. Ein Work in Progress, das ählich wie Pia Linz’ minutiöses „Porträt“ einer Berliner Straße, gleich viele Erzählschichten mitliefert.

Folwang eröffnet Videostudio wieder

Seit Januar arbeitet Marcel Schumacher als Kurator für zeitgenössische Kunst am Museum Folkwang. Zu seinen Schwerpunkten in den kommenden vier Jahren wird dabei die Videokunst aber auch die Auseinandersetzung mit der Sammlung der außereuropäischen Kunst gehören, die seit der Gründung durch Karl-Ernst Osthaus integraler Bestandteil des Museum Folkwang ist.

Dabei solle auch das Videostudio, das von 1973 bis 1988 im Haus existierte, wieder eröffnet werden, sagt Schumacher. Zahlreiche Arbeiten, die damals entstanden, sollen künftig auch wieder zu sehen sein. Die außereuropäische Kunst will Schumacher dabei nicht nur in den Kontext mit der Gemäldesammlung setzen (wie dies ansatzweise schon bei der Neukonzipieren der ständigen Ausstellung vor sieben Jahren geschah), sondern auch aktuelle Bezüge sowie Impulse außereuropäischer Künstler aufnehmen.

Domizil für diese Arbeit sollen die früheren Räume der Fotografischen Sammlung im Untergeschoss des heutigen Altbaus werden. Schumacher arbeitete zuvor am Landesmuseum Münster.

Mehr Info unter: www.museum-folkwang.de