Essen. Ein Ort, ein Thema, drei Bereiche: Das Museum Folkwang zeigt in der Ausstellung „Unsere Zeit hat ein neues Formgefühl“ Grafik, Fotografie und Plakate aus den 1920er Jahren. Die Fotografie kommt ohne Farbe aus, spielt in den Gesichtern von Maler, Wäschefahrer oder Buchhalter mit Licht und Schatten.
Als das Ende des Expressionismus in den 1920er absehbar war, brach er in der Plakatkunst aus. Brachiale Gewalt landete auf Papier. Und erstmals politische Themen. Die Motive: Erhängte oder erwürgte Menschen, der Wahlaufruf für den Spartakusbund, die Arbeit als Glücksbringer, als Befreiung aus dem Elend, das ein ausgemergelter Mann darstellt (Jupp Wiertz, Heraus aus dem Elend).
„Expressive Plakate“ heißt die Präsentation in einem Raum des Museum Folkwang. Sie ist Teil der Ausstellung „Unsere Zeit hat ein neues Formgefühl“, bei der sich erstmals Fotografie, Grafik und Plakat einem Thema widmen, den 20er Jahren. Damals existierten verschiedene Stilrichtungen parallel. Es geht um eine künstlerisch enorm produktive Zeit (Ute Eskildsen, Leiterin Fotografische Sammlung) zwischen den Weltkriegen und das Formgefühl, das Neue Sachlichkeit und Konstruktivismus schufen.
Radikale Reduktion von Formen und Farben
So ebben die Emotionen der expressionistischen Werke im weiteren Verlauf der Ausstellung ab. Es folgen dekorative Filmplakate und der dritte Bereich, den die radikale Reduktion von Formen und Farben auf den Plakaten prägt. So bleiben in Burchartz’ Werk zur Nolde-Ausstellung nur Buchstaben, ein Rot und Grau, ein Punkt und eine Linie.
Fotos, Grafiken, Plakate
Die Sachlichkeit der Grafik gliedert das Museum ebenfalls in drei Teile: Neben Porträts von Grosz, Dix, Beckmann und Kirchner, hängen Landschaften (Kanoldt). Dazwischen Werke unter dem Titel „Konstruktion“. Höhepunkt: El Lissitzky mit zehn Farblithografien der Folge „Sieg über die Sonne“. Die Figuren geschaffen aus geometrischen Formen ergeben den Ängstlichen, die Totengräber oder die Sportsmänner, die trotz roter Elemente eher blass in der Farbigkeit wirken.
Spiel mit Licht und Schatten
Die Fotografie kommt ohne Farbe aus, spielt in den Gesichtern von Maler, Wäschefahrer oder Buchhalter mit Licht und Schatten, so dass sie beinahe statuenhaft erstarren. Helmer Lerski hält ihre Züge im stark angeschnittenen Bildausschnitt gefangen. Traurig, ernst, nachdenklich wirken ihre Blicke, von denen nur der des Stubenmädchens den Betrachter trifft. Der findet einen Raum weiter Werke von Fotografinnen, die mit ihrem Schaffen den Weg in die Gesellschaft fanden und Porträts (wie Florence Henri) schufen oder sich technischen Details widmeten wie Germaine Krull mit ihrer Eiffelturm-Serie.
Ausgestellt sind auch Werke internationaler Pioniere (Albert Renger-Patzsch und Walter Peterhans) und solche von Lehrern und deren Schülern (Bauhaus): So rücken zwei großformatige Bilder (Anton Bruehl) den Blick ganz nah an Nähgarnrollen und zwei Hände beim Einfädeln heran, während László Moholy-Nagy das Objekt abschafft. Die in seiner Klebecollage „Das Mädchenpensionat“ noch vorhandenen Figuren verschwinden in den Fotogrammen. Was für den Betrachter zu entdecken bleibt, ist höchstens noch die Beschaffenheit des abgebildeten Materials. Und eine eigene Welt des Wegbereiters der modernen Fotografie.