Essen. . Der scheidende Folkwang-Direktor Hartwig Fischer hat sich besorgt über die Zukunft des Museums geäußert. „Ich hätte das Haus gerne verlassen mit der Gewissheit, dass die Unterstützung, die es erhält, so dimensioniert ist, dass man langfristig auf hohem Niveau planen kann. Das ist trotz einiger Fortschritte durch systematisches Einwerben noch nicht der Fall.“
Seit 2006 leitete Hartwig Fischer das Museum Folkwang. Diese Zeit war mit der Planung und Errichtung des Neubaus sowie der Renovierung und Anbindung des denkmalgeschützten Altbaus sicher eine der großen Zäsuren in der Geschichte des Hauses, das 2010 wieder eröffnete. Ende 2011 wurde Fischer als Generaldirektor an die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden berufen. Am Montag hatte er seinen letzten Arbeitstag in Essen. Ein Gespräch.
Herr Fischer, zwei Jahre waren Sie im Museum Folkwang salopp gesagt Bau- und Umzugsmanager. Danach hatten Sie nur zwei Jahre Zeit, mit und in dem Haus zu arbeiten. Was waren prägende Ereignisse und was wären Ihre Pläne für die nächsten Jahre gewesen?
Hartwig Fischer: In den ersten Jahren bis 2008 haben wir ein volles Ausstellungsprogramm gemacht, ich erinnere nur an Caspar David Friedrich, an Rodin, Darren Almond, Simon Starling, Atelier van Lieshout, Paul Graham, oder die große Präsentation der Sammlung Olbricht vor der Schließung. Und dann entstand durch die großartige Entscheidung von Berthold Beitz, der Partnerschaft von Krupp-Stiftung und Stadt Essen dieser wunderbare Neubau von David Chipperfield.
War war dabei die besondere Herausforderung?
Einen Bau von dieser Größe und Qualität so schnell und ohne Zwischenfälle zu errichten hat viel Zeit und Aufmerksamkeit verlangt. Wir hatten Glück: Dass das Gebäude so schnell gebaut und in Betrieb genommen werden konnte, verdanken wir dem Einsatz von Klaus Wolff und seinen Mitarbeitern. Aber es war auch eine politische Meisterleistung, mit Oliver Scheytt, Simone Raskob, Christian Kromberg und Rüdiger Kersten als den treibenden Kräften. Und im Museum hatte ich mit Ute Eskildsen die ideale Kollegin.
Was hat sich seither verändert?
Wir haben ein wirklich großartiges Haus! Und seit 2010 machen wir hier, angefangen mit dem „schönsten Museum der Welt“ eine Ausstellung nach der anderen. Mir schwebte immer ein Mehrspartenhaus vor, so wie Sammlungsgründer Karl Ernst Osthaus es von Anfang an dachte. Malerei, Fotografie, Grafik, jetzt auch die Plakatkunst, Neues und Altes, vor allem unter Einbeziehung der außereuropäischen Kunst, die auch in den Anfängen des Hauses in Essen, unter Direktor Ernst Gosebruch, eine große Rolle spielte. Diese verschiedenen Teile der Sammlung zu verschränken, das hätte ich gerne noch weiter vorangebracht, die Öffnung des Hauses gegenüber anderen Kulturen. Das muss ein integraler Teil von Folkwang werden. Mit der Ausstellung von Lothar Baumgarten über das indianische Volk der Yanomami haben wir einen wichtigen Schritt machen können. Und dann geht es natürlich auch um die Fortführung der Forschung, die wissenschaftliche Neuerschließung der Sammlungen und deren Ausbau mit Blick auf die zeitgenössische Kunst.
Gibt es konkrete Ausstellungspläne auf denen ein Nachfolger aufbauen kann?
Natürlich steht ein Grundkonzept und wir haben große Ausstellungen bis 2015 gesichert. Im Herbst die große Expressionisten-Schau und Ende 2014 eine weitere große Sonderausstellung über die Begegnung der europäischen Künstler mit Japan zwischen 1860 und 1900, ein faszinierendes Thema. Oder in der Fotografie eine große Cartier-Bresson- Ausstellung. Es gibt darüber hinaus in allen Abteilungen schon Planungen für die kommenden zwei, drei Jahre. Es bleibt trotzdem viel Gestaltungsspielraum für meinen Nachfolger.
Soll und kann Folkwang stärker in die Region wirken, etwa durch Ausbau einer Folkwang-Achse Essen - Hagen, vielleicht unter Einbeziehung kleinerer Häuser wie Bochum oder Gelsenkirchen?
Wir haben die Potenziale der Region seit 2006 genutzt, durch die Zusammenarbeit etwa mit den Universitäten in Essen, Bochum und Dortmund, mit der Folkwang-Universität, mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut oder jetzt mit der Ruhrtriennale unter Heiner Goebbels. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit innerhalb der RuhrKunstMuseen, die von Beginn an übrigens ganz entscheidend vom Folkwang aus gefördert wurde, sind längst nicht erschöpft. Wichtig bleibt auch, dass wir gemeinsam auftreten, wenn ein Haus gefährdet ist, wie zum Beispiel in Mülheim oder Bochum, oder wenn Hagen aus Geldmangel ein Hauptwerk seiner Sammlung verkaufen soll. Allerdings glaube ich nicht, dass die Kultur allein neue Verhältnisse schaffen kann, auch wenn die Museen hier ein ganz gutes Beispiel geben.
Gemeinsames Marketing für RuhrKunstMuseen
Was müsste geschehen?
Die eigentliche Herausforderung liegt in der politischen Kooperation und in der Entwicklung neuer politischer Strukturen, die das Ruhrgebiet stärken müssen. Die RuhrKunstMuseen werden sich sicher weiterentwickeln. Dazu gehört auch der Ausbau eines gemeinsamen Marketings, denn wir haben den Nachteil, dass das Ruhrgebiet keinen Massentourismus anzieht. Stärken werden wir auch die Zusammenarbeit bei Marketing und Kommunikation auf der Achse Essen – Düsseldorf – Köln, das haben wir mit den Kollegen bereits beschlossen, erste Maßnahmen werden zur Documenta im Juni greifen. Denn für Menschen, die von weiter her kommen, sind das die drei großen Orientierungspunkte: Museum Ludwig, Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und Museum Folkwang. Diese drei Sammlungen zusammen, die keine Autostunde voneinander entfernt liegen, haben ein enormes Potential. Das Folkwang arbeitet darüber hinaus aber vor allem in nationalen und internationalen Netzwerken.
Ist das Museum Folkwang finanziell ausreichend ausgestattet?
Die Stadt stellt insgesamt für Bauunterhalt, Betrieb, Gebäudemanagement, Personal und Rücklagen ca. 14 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung, und das ist kein kleiner Betrag. Allerdings stehen uns davon für die eigentliche Produktion – das heißt für Ausstellungen, Bildung und Vermittlung, Restaurierung, Forschung, Kommunikation und für den Kauf von Kunstwerken – kaum mehr als 10 Prozent zur Verfügung. Um ein normales Programm zu machen, das auch die Menschen ins Haus lockt, müssen wir jedes Jahr zusätzlich ein Mehrfaches einwerben. Auch wenn das bislang gelungen ist, es bleibt ein hohes Risiko für den Betrieb.
Das heißt, Sie gehen durchaus mit einigen Sorgen.
Ich hätte das Haus gerne verlassen mit der Gewissheit, dass die Unterstützung, die es erhält, so dimensioniert ist, dass man langfristig in allen Kernbereichen auf hohem Niveau planen kann. Das ist noch nicht der Fall, auch wenn wir durch systematisches Einwerben erhebliche Fortschritte machen konnten. Viel hängt davon ab, dass die beiden Partner, die seit 1922 im Museum Folkwang zusammenwirken, die Stadt Essen und der Museumsverein, gut und vertrauensvoll miteinander kooperieren. Beide haben sich verpflichtet, ihre besten Kräfte darein zu setzen, das Museum weiter zu entwickeln. Da muss man auch gemeinsam neue, innovative Methoden entwickeln und den Strukturwandel in der Finanzierung der öffentlichen Häuser gestalten.
Museum Folkwang eröffnet neu als das "Wunder von Essen"
Was funktioniert denn bereits gut im Museum?
Wir haben in den letzten Jahren für mehr als 10 Millionen Euro Werke für unsere Sammlungen erworben und damit zugleich das Vermögen der Stadt und des Vereins erhöht, die gemeinsam Eigentümer der Werke werden, auch wenn das Geld hauptsächlich von Dritten kommt. Und wir haben für eine deutlich höhere Summe Ausstellungen realisiert bzw. in der Planung. Wir haben starke Partner in der Wirtschaft und in privaten und öffentlichen Stiftungen, auf die wir uns verlassen können. Aber es ist außerordentlich selten, dass uns Private direkt mit eigenem Vermögen unterstützen. Trotzdem, wir haben auch Hilfe von wunderbaren Menschen empfangen, die uns beim Erwerb neuer Kunst auf das Großzügigste förderten.
Wie lässt sich „echtes“ privates Engagement anregen?
Wir brauchen professionelles Fundraising nach amerikanischem Muster. Erste Schritte konnten wir unternehmen, weil Christian und Bettina Böhm uns großzügig zwei Stellen finanzierten. Aber es bleibt eine der großen Herausforderungen den Menschen, vor allem den wohlhabenden Menschen – auch in Essen – klar zu machen, dass sie am meisten bekommen, wenn sie geben. Und noch etwas: Der Erfolg eines Unternehmens hängt von den Menschen ab, die dort arbeiten. Für das Folkwang muss es endlich Sicherheit auch im Bereich des Personals geben. Ich bin froh, dass sich nach Wolfgang Reiniger auch Reinhard Paß wirklich für das Haus interessiert und einsetzt. Das lässt mich hoffen.
Wenn Sie an Essen und Ihre Zeit hier denken, was bleibt in Erinnerung?
Sechs Jahre intensivster Arbeit, voller Leidenschaft, Komplexität, geprägt von Gegensätzen und von Solidarität. Ich müsste viele nennen, ich nenne einen: Dass Berthold Beitz den Neubau ermöglicht und auch später die Hand über uns gehalten hat, dafür werde ich immer dankbar bleiben. Es ist eine ganz starke Erfahrung. – Und dann erinnere ich mich an den ersten, nächtlichen Spaziergang um das Museum zusammen mit meiner Frau, im Herbst 2005. Wir glaubten, das Haus sei längst geschlossen, aber in der Kahr-straße leuchteten plötzlich die großen Fenster – es war Freitag, das Museum bis Mitternacht geöffnet! Wir waren gebannt: Wo sonst auf der Welt sieht man Cézanne, van Gogh, Gauguin und Delaunay von der Straße! Es war ein Bild voll Zauber und Kraft. Die Hoffnung, die ich damals in mir trug, ist im Neubau in Erfüllung gegangen.
Was wünschen Sie dem Museum Folkwang?
Die Ausstrahlung und die Unterstützung, die es verdient. Und dass viele Menschen das Haus und seine Kunst für sich entdecken. – Das Folkwang steht seit 110 Jahren. Es hat sich oft verwandelt. Wir haben es nochmals erneuert. Es hat sich bewährt: Ein schönstes Museum der Welt. Ich kann gehen.