Essen. .
Der Aufsichtsrat des Essener Theater- und Philharmonie-Betriebs (TuP) möchte nach 2013 einen Intendanten einsparen. Aalto und Philharmonie sollen in eine Hand. Unklar ist, wie lange Stefan Soltesz bleibt.
Auch interessant
Zwei, drei Jahre sind eine lange Zeit, doch im Kulturbetrieb wiederum ziemlich wenig. Wenn es nämlich um die Neubesetzung von Spitzenpositionen geht, sind die verantwortlichen Gremien gut beraten, sich frühzeitig auf die Suche zu machen. Und 2013, das ist jetzt schon klar, wird ein Schlüsseljahr für die vielgerühmten Essener Kulturinstitutionen. Es enden gleichzeitig die Verträge von Opernintendant und Generalmusikdirektor Stefan Soltesz, Philharmonie-Intendant Johannes Bultmann, dem Geschäftsführer der Theater- und Philharmonie GmbH (TuP), Berger Bergmann und Ballett-Chef Ben van Cauwenbergh. Gleichzeitig ist eine große Koalition der Essener Kulturpolitiker entschlossen, die Gelegenheit für eine umfassende Strukturreform zu nutzen.
„Ich persönlich plädiere dafür, die Funktionen des Philharmonie- und des Aalto-Intendanten in einer Person zu vereinigen“, sagt Hans Schippmann, CDU-Ratsherr und Aufsichtsratsvorsitzender der TuP. Und Schippmann ist sich in diesem Punkt völlig einig mit dem Vize im TuP-Aufsichtsgremium, SPD-Ratsherr Hans Aring. „Das ist unser Plan“, bestätigt Aring, „eine Intendanz für beide Häuser und zusätzlich einen Generalmusikdirektor“.
Beide versprechen sich von einem starken „Super-Intendanten“ und einem letztlich untergeordneten künstlerischen Leiter ein Mehr an kaufmännischem Denken. „Das Doppel von Intendanz und GMD hat häufig einen etwas zu starken Patriarchalismus zur Folge“, sagt Schippmann, der aber betont, dass er die Arbeit von Stefan Soltesz, der sich hier angesprochen fühlen könnte, über die Maßen schätzt.
Der Wunschkandidat für das starke Amt säße bereits in Essen, hat aber offenbar andere Lebenspläne: Johannes Bultmann. In der Nachfolge von Michael Kaufmann hat der 50-jährige Bultmann die Philharmonie in ruhigeres Fahrwasser und - wie viele Kulturpolitiker meinen - auch finanziell sehr solide geführt. „Er wäre unser Wunschkandidat“, sagt Schippmann. Allein: Bultmann zieht es dem Vernehmen nach 2013 aus persönlichen und beruflichen Gründen zurück in seine Wahlheimat Baden-Baden.
Gehälter-Abstand zwischen TuP-Geschäftsführer und Intendanten verringern
So hat eine fünfköpfige Findungskommission des TuP-Aufsichtsrats die Vize-Chefs sechs großer Opernhäuser von Hamburg bis Lyon kontaktiert und drei Kandidaten in die engere Wahl genommen - eine Frau und zwei Männer. „Wir sind der Meinung, dass wir dem Rat aus diesem Kreis bereits einen Vorschlag unterbreiten können“. Dies könnte nach dem jetzigen Stand bereits am 13. Januar erfolgen.
Erfolg bei ihrem Werben hatte die Kulturpolitik im Fall Berger Bergmann. Dem TuP-Geschäftsführer wird hoch angerechnet, dass er die Sparvorgaben des Rates konstruktiv umsetzte und die TuP verschlankte. Dem Aufsichtsrat ist das eine sechsjährige Verlängerung seines Vertrags wert und eine immerhin zehnprozentige Erhöhung seiner Bezüge von derzeit rund 160.000 Euro. Dies geschehe auch, so Schippmann, „um den Gehälter-Abstand zwischen TuP-Geschäftsführer und den Intendanten zu verringern“.
Am einfachsten stellt sich die Sache im Fall Ben van Cauwenbergh dar: Die TuP und der Ballett-Chef haben bereits deutlich signalisiert, dass an einer Vertragsverlängerung über 2013 hinaus Interesse besteht. Bleibt Stefan Soltesz: Der Vertrag des Publikumslieblings, Aalto-Intendanten und GMD endet - nach dann 16 Jahren - ebenfalls 2013. Eine Option für ein weiteres Jahr ist im Vertrag fixiert, dann aber - das sagen Schippmann und Aring unisono - sollte es zumindest in der Intendanz-Funktion einen Wechsel geben. „Stefan Soltesz hat große Verdienste, und wir wollen seine Ära zu einem guten Ende bringen, aber nach dann 17 Jahren halten wir einen Neuanfang für richtig“, bekräftigt Schippmann. Zwei Jahre länger, dann bis 2015, in der GMD-Funktion - darüber könne man wiederum reden - sagt jedenfalls Aring.
Soltesz kann sich Verlängerung vorstellen
Soltesz will sich den Plänen keineswegs in den Weg stellen. Auf WAZ-Anfrage weist er allerdings darauf hin, nicht er, Soltesz, sondern die Kulturpolitiker im TuP-Aufsichtsrat hätten eine Verlängerung seines Engagements ins Gespräch gebracht, und zwar gegebenenfalls eben auch um zwei Spielzeiten über 2013 hinaus. Will er das? Klare Antwort: „Ja, das kann ich mir vorstellen“, sagt der gebürtige Ungar, der übermorgen seinen 62. Geburtstag feiert. 2013, 2014 oder 2015? - in dieser etwas verwirrenden Frage scheint es zwischen den Akteuren noch Kommunikationsbedarf zu geben.
2014 wäre Soltesz 65 und ginge in einen Ruhestand, der voraussichtlich keiner wäre. Denn welcher namhafte Dirigent hat je seine Kreativität von Pensionsgrenzen abhängig gemacht? Es gibt Intendanten, die noch mit 80 erneut Chefposten übernehmen. Soltesz blickt, so sagt er, gelassen auf die nächsten entscheidenden Wochen. „Die Politik und vor allem der Aufsichtsrat sollen konkret sagen, was sie wollen.“ Er könne sich auch mit über 65 neben Gastdirigaten noch einen Chefposten vorstellen - vielleicht ja ganz woanders. Es müsse auch nicht die zeit- und arbeitsintensive Doppelfunktion von Intendant und GMD sein.
Die angestrebte Personalunion von Aalto- und Philharmonie-Intendant betrachtet Soltesz mit Distanz. Das müsse man von der zur Verfügung stehenden Person abhängig machen. Vorteile sehe er allerdings eher darin, Oper und Philharmonie wie bisher zu betreiben. Beide Häuser seien unterschiedlich ausgerichtet und arbeiteten völlig anders. Eines immerhin darf man festhalten: Das „Essener Modell“ mit Intendant und GMD in einer Person - nahezu passgenau auf Soltesz zugeschnitten - funktioniert seit 1997. Und wurde vielfach ausgezeichnet und preisgekrönt.