Essen-Kettwig. Die Villa Ruhnau habe zu viele Veränderungen erfahren, sagt die Behörde zum Thema Denkmalschutz. Die ortsgeschichtliche Bedeutung reiche nicht.

Da war der Dorffunk in Kettwig mal wieder schneller als die behördliche Bestätigung: Dass die Villa Ruhnau nicht das Label „Denkmal“ erhält, zwitscherten schon zu Wochenbeginn die Spatzen von den Dächern. Nun die offzielle Stellungnahme der Stadt:

„Bei der Villa Ruhnau, Am Bögelsknappen 1, im Stadtteil Kettwig handelt es sich um kein Denkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen“, teilt Stadtsprecher Silke Lenz auf Nachfrage der Redaktion mit. Dies sei bereits im Jahr 2017 vom Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege (IDD) und dem Landschaftsverband Rheinland – Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) festgestellt und nun durch eine konsolidierende Untersuchung bestätigt worden.

Zu viele Korrekturen der historischen Substanz

Begründet wird die Entscheidung damit, dass das im Jahr 1905/06 errichtete Gebäude mit seinem Relikt von 1875/76 heute nur noch als Baukörper überliefert sei. „Die diversen Eigentums- und Nutzungsverhältnisse hatten Korrekturen und Überformungen der historischen Substanz zur Folge. Das Gleiche gilt für die Umgebung: Die originale Parkanlage ist nicht mehr erhalten.“ Denkmalwerte Zeitschichten seien daher weder im Einzelnen noch in der Summe deutlich erkennbar und nachvollziehbar. Auch die ortsgeschichtliche Bedeutung reiche für eine denkmalrechtliche Unterschutzstellung nicht aus.

Die Türen erinnern noch an die Funktion als Krankenhaus.
Die Türen erinnern noch an die Funktion als Krankenhaus. © Carsten Klein

Das LVR-ADR schließe sich der Entscheidung, die Villa Ruhnau nicht in die Denkmalliste der Stadt Essen einzutragen, an. Stadtsprecherin Lenz: „Der fachliche Austausch ist damit abgeschlossen.“

Das Anliegen der Anwohner am Bögelsknappen

Die Villa Ruhnau ist im Privatbesitz, das dahinterliegende Grundstück ist in städtischem Besitz und steht zum Verkauf. Aufgrund der Sorge der Anwohner, dass die Villa Ruhnau ganz oder in Teilen abgerissen werden und gemeinsam mit dem städtischen Grundstück ein Großbauprojekt entstehen könnte, formierte sich im Sommer 2019 der Nachbarschaftskreis Bögelsknappen. Es wurden Unterschriften für den Erhalt des Gebäudes gesammelt und dem Oberbürgermeister übergeben.

Im Januar wurde die Denkmalwürdigkeit geprüft

Das Anliegen blieb in der Politik nicht ungehört, so dass sich im November 2019 ein Runder Tisch zum Verkauf des städtischen Grundstücks bildete. Ergebnis war die Forderung der Anwohnerschaft, erneut prüfen zu lassen, ob für das Grundstück „Am Bögelsknappen 1“ Denkmalschutz besteht. Dies geschah im Januar.

Die rückseitige Anbau der Villa Ruhnau. Die Anwohner befürchten, dass dieser Gebäudeteil abgerissen werden könnte.  
Die rückseitige Anbau der Villa Ruhnau. Die Anwohner befürchten, dass dieser Gebäudeteil abgerissen werden könnte.   © Privat

Die Entscheidung der Denkmalbehörde fiel Anfang Mai und „wurde der Stadt Essen auf dem Postweg mitgeteilt“, berichtet Lenz. Die verwundert darüber ist, dass sich die Nachricht über den Dorffunk in Kettwig bereits verbreitet hat. „Antragsteller ist nicht die Nachbarschaft (diese wäre auch gar nicht antragsberechtigt), insofern besteht auch nicht der Automatismus, dass die Nachbarschaft durch die Behörde informiert wird. Zunächst ist der Eigentümer zu informieren“, betont die Stadtsprecherin.

Reaktionen aus der Politik auf die Entscheidung

Reaktionen auf die Entscheidung gibt es bereits. Als „herben Rückschlag für unseren Stadtteil und insbesondere für die engagierten Nachbarn, die die Historie des Gebäudes beispielhaft in Zusammenarbeit mit dem Heimat- und Verkehrsverein aufbereitet haben“, bezeichnet dies Daniel Behmenburg, Vorsitzender der SPD-Fraktion in der für Kettwig zuständigen Bezirksvertretung IX.

Über viele Generationen ein öffentliches Gebäude

Viele Menschen verbinden mit dem – über viele Generationen öffentlichen – Gebäude am Bögelsknappen eine eigene Geschichte. Es war u. a. Gaststätte, Stadthalle, Kranken- und Ärztehaus, Pflege- und Musikschule und unter Werner Ruhnau ein Haus der Kunst und Architektur.

Trotz seiner Randlage gilt die Villa den Bürgern immer noch als Herzstück Kettwigs. Der Heimat- und Verkehrsverein (HVV) Kettwig hat 2019 eine Broschüre herausgegeben, in der die Geschichte des Hauses erzählt wird. Darin wird auch die Bedeutung des Gebäudes und des dort 1908 angelegten Stadtparks für die Entstehung von Kettwig als „Gartenstadt“ hervorgehoben.

Die Broschüre „Das Haus Am Bögelsknappen 1. Geschichte und Bedeutung für Kettwig“ gibt es für drei Euro im hiesigen Buchhandel, im Reisebüro Kettwig sowie bei den Museums- und Geschichtsfreunden Kettwig.

Es gehe hier aber nicht nur um den Erhalt dieses Stückes Stadtteilgeschichte, auch berechtigte Sorgen über die Zunahme des Verkehrs an dieser bereits sehr ausgelasteten Stelle spielten eine Rolle. „Wir können nicht ständig neu bauen und Fragen der zukünftigen Belastung der Quartiere hinten anstellen. Wir müssen uns auf Stadtebene deshalb endlich die Frage stellen, wie wir uns die Mobilität der Zukunft in Kettwig vorstellen“, so der Fraktionsvorsitzende.

Ratsgremien entscheiden über Grundstücksverkauf

„Es gab und gibt einen breiten politischen Konsens zum Erhalt dieses Gebäudes, das Kettwig in verschiedensten Funktionen treue Dienste geleistet hat. Der Grundstein des Protestes wurde damals mit dem ‚Nein‘ der Bezirksvertretung zum Verkauf eines Teils des betreffenden Grundstücks gelegt. Diesem Votum hat sich der Ausschuss für Stadtplanung und Stadtentwicklung in der Folge angeschlossen. Es ist enttäuschend, wie wenig Gestaltungsspielraum Politik anscheinend hat. Das muss sich ändern“, ergänzt Behmenburgs Kollege Jan Robert Belouschek.

Eine alte Postkarte mit dem Motiv des Bögelsknappen in Kettwig.
Eine alte Postkarte mit dem Motiv des Bögelsknappen in Kettwig. © Ulrich Bangert

Enttäuscht äußert sich auch CDU-Ratsherr Guntmar Kipphardt gegenüber dieser Redaktion. „Der Denkmalschutz hätte es einfacher gemacht, mit dem Investor über sein Bauvorhaben zu sprechen.“ Nun müsse man sich als Politik darauf einrichten, dass „die Bebauung nach Paragraph 34 stattfindet, also laufendes Geschäft der Verwaltung ist. Unser Gestaltungsspielraum ist da tatsächlich klein.“ Dennoch sehe er das städtische Grundstück, über das noch keine Verkaufsentscheidung gefallen sei, weiterhin als Faustpfand gegenüber dem Interessenten, „um den Bestand dieses ortsbildprägenden Gebäudes langfristig zu sichern“. Im Ausschuss für Stadtplanung und Stadtentwicklung stehe das Thema im Juni auf der Tagesordnung.

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