Essen. .

Wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer 13-Jährigen ist ein 49-Jähriger aus Essen zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Bereits 2007 hatte die Polizei bei dem Familienvater und Handwerksmeister 65 Millionen kinderpornografische Bilder gefunden.

Da sitzt er wieder. Eine durch und durch bürgerliche Existenz. Familienvater, selbstständiger Handwerksmeister mit drei Gesellen, wirtschaftlich erfolgreich und bis vor vier Jahren ohne Vorstrafe. Das änderte sich 2007, als der Steelenser wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder zu neun Monaten Haft mit Bewährung verurteilt wird. 2009 gerät er erneut ins Visier der Polizei. Er hatte sich bei „knuddels.de“ im Internet als 13-Jähriger ausgegeben und mit zwei 13-jährigen Mädchen aus Hamburg gechattet. Sex war das Thema, er forderte sie auch auf, sich vor der Webcamera für ihn auszuziehen. Einen Tag, bevor die Mädchen nach Essen zu ihm fahren wollten, stoppten deren Eltern die Reise und informierten die Polizei. Bei einer Hausdurchsuchung in Steele entdeckten die Beamten in seinem Computer 65 Millionen meist kinderpornografische Bilder. „Meine Geilheit war größer als mein Verstand“, gestand er den Polizisten.

2010 verurteilte die Justiz ihn. Am 9. Juni gab es ein Jahr und neun Monate Haft für ihn wegen des Kontaktes zu den Hamburger Mädchen. Die V. Strafkammer nahm ihm damals ab, dass er „meine Sucht“ in einer Sexualtherapie bekämpfen wollte. Vier Monate später erhöhte das Amtsgericht die Strafe auf zwei Jahre und neun Monate Haft wegen der Bilder auf seinem Computer. Bewährung gibt es bei dieser Strafhöhe nicht mehr.

Was von den Juristen niemand wusste: Zwischen diesen beiden Verurteilungen bahnte der 49-Jährige die neue Tat an. Völlig unbeeindruckt von den Strafen, völlig unbeeindruckt von seinen eigenen Beteuerungen, nicht mehr rückfällig zu werden.

Zwei Wochen nach der Verurteilung missbrauchte er das Mädchen

Auch am Donnerstag ist er geständig, aber von Einsicht scheint seine Schilderung nicht getragen zu sein. Wirkliche Schuld sieht er nicht bei sich. Dabei ging die Initiative zur Tat nur von ihm aus. Wieder erfand er mit „Justin Bergs“ einen Aliasnamen für „knuddels.de“ und nutzte das Foto eines Jungen aus dem Internet. 14 Jahre alt sei er, teilte er seiner zwölfjährigen Chatpartnerin mit. Einen Monat unterhielt er sich mit ihr von Kind zu Kind, dann bekannte der 49-Jährige sich gegenüber dem Mädchen dazu, tatsächlich 23 Jahre alt zu sein. Enttäuscht brach das Mädchen den Kontakt ab, nahm ihn im Februar 2010 wieder per Internet auf.

Der Erwachsene dürfte schnell erkannt haben, dass seine Chatpartnerin Probleme mit dem Leben hatte, dankbar für einen verständnisvollen Gesprächspartner war. Ab Sommer 2010 kam es zu Treffen am Baldeneysee, zum 13. Geburtstag schenkte er ihr ein Armband. Das war die Zeit, als er gerade vor der V. Strafkammer Reue zeigte.

Nach fünf eher harmlosen Treffen lotste er sie dann abends in die Gartenlaube seiner Eltern in Bergerhausen. Weil die 13-Jährige immer mehr Schwierigkeiten in der Familie hatte, war sie auf Wunsch des Jugendamtes in ein Heim gekommen. Eine Maßnahme, die sie selbst als ungerecht empfand. Ihr väterlicher Freund, in den sie wohl auch ein wenig verliebt war, nutzte die labile Situation des Mädchens aus. Zwei Wochen nach seiner Verurteilung am Amtsgericht schlief er mit ihr. Gewehrt hatte sie sich nicht, aber „ich habe erkannt, dass sie es nicht wollte“, räumt der Angeklagte jetzt ein.

„Ich wünsche mir eine Therapie. Ich will nicht mehr.“

Sein Geständnis wirkt stellenweise beschönigend, taktisch. Und immer sieht er sich selbst im Vordergrund. Sein letztes Wort beginnt er in der Verhandlung mit „Ich wünsche mir eine Therapie. Ich will nicht mehr. Ich möchte ein ganz normales Leben führen.“ Wie seine Taten verhindert werden könnten, fragt ihn Psychiater Dieter Oswald. Man müsse die Mädchen aufklären über die Gefahren des Internets, antwortet der Angeklagte. Bei sich selbst sieht er nur äußere Umstände, die auf ihn einwirkten: „Alles hat sich entwickelt aus Frust, Hektik und Stress. Heute würde ich ein Gespräch mit meiner Frau führen.“

Staatsanwältin Sonja Hüppe und Opferanwältin Imke Schwerdtfeger fordern vier Jahre Haft und die vorbehaltene Sicherungsverwahrung für den Angeklagten. Anwalt Clemens Louis will eine niedrigere Strafe, an Bewährung denkt aber auch er nicht.

Auf vier Jahre Haft erkennt die Kammer für den aus Sicht des Psychiaters voll schuldfähigen Angeklagten. Richterin Luise Nünning blickt auf das anfangs so normale Leben des Angeklagten zurück: „Alles war gut, bis er die dunkle Seite der Sexualität in sich entdeckt hat.“ Die „enorme Rückfallgeschwindigkeit“ rügt sie und spricht an, dass er sich ein „hoch belastetes Kind ausgesucht und dessen Bedürfnis nach Geborgenheit und Nähe ausgenutzt hat“. Die vorbehaltene Sicherungsverwahrung lehnt die Kammer ab. Der Angeklagte sei aber „ganz in die Nähe der Sicherungsverwahrung gerückt“. Er solle an sich arbeiten, sagte die Richterin, es sei ein langer Weg für ihn. Neben den vier Jahren Haft muss er noch dreieinhalb Jahre aus den früheren Verurteilungen verbüßen. Psychiater Oswald hatte geschätzt, dass es fünf Jahre brauche, den Angeklagten zu therapieren. Ein langer Weg.