Essen. Eine 33-jährige aus Essen soll mit Hilfe eines Freundes versucht haben, ihren Vater zu ermorden. Der hatte ihr die Versorgung seiner Enkelin - ihrer Tochter - streitig gemacht. Vor Gericht wird das Familiendrama nun ausgebreitet.

Braun gebrannt mit langen blonden Haaren sitzt die 33-Jährige aus Vogelheim auf der Anklagebank im Schwurgericht. Ihr gegenüber auf dem Zeugenstuhl der eigene Vater. Laut Anklage soll sie versucht haben, ihn umzubringen, ihn heimtückisch zu ermorden.

Ihr Mitangeklagter, ein 34-jähriger Bottroper, den sie im Internet kennenlernte, soll der Mann sein, der die Tat ausführte. Mit Seitenschneider und Nagelschere soll er am 21. September 2008 den Bremsschlauch am Renault Clio des 72-Jährigen durchtrennt ha­ben. Als der Rentner am nächsten Morgen von zu Hause losfuhr und bremste, trat er ins Leere. Geistesgegenwärtig riss er an der Handbremse, stoppte den Wagen und verhinderte einen Auffahrunfall.

Vorwurf bestritten

Den Defekt am Auto bestreiten die beiden Angeklagten auch gar nicht. Aber sie seien dafür nicht verantwortlich, weisen sie die Vorwürfe der Anklage, die von einem versuchten Mord aus Heimtücke spricht und der 33-Jährigen Anstiftung dazu unterstellt, vehement zurück.

Ein Familiendrama wird ausgebreitet: Der Vater als Geschädigter spricht in seiner Zeugenaussage von der eigenen Tochter nur als „die Angeklagte“. Ob er der Vater der Angeklagten sei, hatte Richter Andreas Labentz ihn anfangs gefragt. „Ja, formal“, antwortete der 72-Jährige.

Es geht um seine Enkelin. 2002 hatte die Angeklagte ein Mädchen zur Welt gebracht. Der Vater, ein Tierarzt, hatte sich wohl nicht um das Kind gekümmert. Mehrere Jahre lang wuchs die Kleine beim Großvater in Vogelheim auf. 2008 soll die Angeklagte ihr Kind zurückgeholt haben. Der Großvater fürchtete um das Wohlergehen seiner Enkelin, glaubte, dass die Tochter das Kind oft bei einer drogensüchtigen Freundin unterbringe und als Hartz-IV-Empfängerin nur finanzielle Vorteile durch das Kind suche. Auch ihre vielen wechselnden Männerbeziehungen sah er als Problem. Er drohte damit, sie beim Jugendamt und beim Jobcenter anzuschwärzen. Erzählen wollte er dort, dass sie sich nur um ihre sechs Pferde kümmere, die sie 40 Kilometer entfernt von Essen untergestellt habe und oft besuche.

Aktion gegen Vater

Die Tochter soll darauf erbost reagiert haben. Sie soll ihren Ehemann und ihren jetzt mitangeklagten Freund aufgefordert haben, etwas gegen den Vater zu unternehmen. Der habe die Enkelin nämlich sexuell missbraucht. Ein späteres Verfahren gegen den Senior ergab keine Beweise für diese Behauptung.

Der Ehemann soll sich geweigert, der Freund die Tat dagegen ausgeführt haben. Das behauptet jedenfalls der mittlerweile von seiner Frau getrennt lebende Ehemann in einer detaillierten Aussage. Er erzählte auch, dass die Tochter kurz nach der Tat ausgerastet sei und ihn und ihren Freund beschimpft habe: „Der Alte lebt ja noch. Was seid ihr bloß für Schlappschwänze!“