Essen-Altendorf. Brigitte Claes wohnt am Niederfeldsee und sammelt ehrenamtlich täglich Müll im Viertel auf. Pfarrer Wolfgang Knopp hat darüber einen Film gedreht.

Mit „Hackenporsches“ und Greifzangen sammeln rund 40 Mitglieder der Initiative „Altendorfs Bürger engagieren sich“ seit nunmehr acht Jahren jeden Samstag Müll und Unrat ein. Auf ihrer Route stehen beliebte Orte wie der Krupppark, die Radtrasse, der Berthold-Beitz-Boulevard, der Spielplatz am Jahnplatz und der Niederfeldsee. Die Idee dazu hatte der Altendorfer Johannes Hüttemann, der sich auch mit 73 Jahren gern aktiv für seinen Stadtteil einsetzt.

Sogar täglich geht Brigitte Claes in Eigenregie und Handschuhen mit dem Müllwägelchen um den Block. Vor vier Jahren ist sie aus Frohnhausen in die Markscheide gezogen. „Noch mehr Müll als vorher“, berichtet die 74-Jährige, komme seit Corona zusammen.

Drei bis vier volle 60-Liter-Säcke kommen täglich zusammen

Zwei bis drei Stunden dauern ihre Runden ums Haus. Dosen, Essensreste, Pizzakartons, Papier, Glasscherben und Plastiktüten, Hundekot und schaufelweise Zigarettenkippen findet sie. Das macht drei bis vier volle 60-Liter-Säcke. Von ihrer Wohnung läuft sie über die Ehrenzellerstraße, die Grieper- und die Altendorferstraße einen großen Bogen im Quartier.

Dosen, Pizzakartons, Papier und Plastiktüten: Täglich findet sich zum Leidwesen der Anwohner neuer Abfall im Niederfeldsee.
Dosen, Pizzakartons, Papier und Plastiktüten: Täglich findet sich zum Leidwesen der Anwohner neuer Abfall im Niederfeldsee. © Vladimir Wegener

Mit dem Entschluss, nach Altendorf zu ziehen, nahm sie sich vor, sich für den verrufenen Stadtteil einzusetzen. Sie schwor sich, ihre neue Wahlheimat selbst täglich aufzuräumen. Das erzählt sie auch in einem Film, den der evangelische Pfarrer Wolfgang Knopp im Frühjahr gedreht hat.

„Sauberzauber in Essen-Altendorf“ heißt der Videofilm

Für „Sauberzauber in Essen-Altendorf“, so der Titel des knapp zehnminütigen Videos, hat der 63-Jährige Geistliche die Altendorferin insgesamt drei Vormittage lang beim Saubermachen begleitet. „Brennpunkt“ der Drehorte sind die Container an der Grieperstaße. Dort vergammelt jede Menge ekliger Unrat neben und zwischen den Tonnen.

Pfarrer Knopp hat die 74-jährige Rentnerin bei einem Stadtteilgespräch kennengelernt und war beeindruckt von ihrem tatkräftigen Einsatz. „Über Altendorf wird meist negativ berichtet. Aber man kann hier gut leben. Ich gehe auch nachts ohne Angst über die Straße“, betont Knopp.

Die Aufräum-Aktionen sind eine Sisyphus-Arbeit

Doch die offensichtlichen Müllecken im Quartier ärgern ihn sehr. Er kann nicht nachvollziehen, wie wenig „eine kleine Minderheit“ ihr Wohnumfeld schätze. „Am Gemeindehaus an der Grieperstraße wird jeden Tag ein alter Kühlschrank abgestellt.“ Der Motor sei jeweils schon ausgebaut. Und kaum entsorgt, stünde das nächste Gerät an der Stelle. Dass ihre Aufräum-Aktionen Sisyphus-Arbeit sind, wissen die Ehrenamtler. „Aber wir machen natürlich weiter. In der Hoffnung, andere mit der Idee anzustecken“, sagt Claes.

Die Initiative „Altendorf engagiert sich“

Die im Jahr 2012 gegründete Initiative „Altendorf engagiert sich“ trifft sich jeden Samstag von 10.30 bis 12 Uhr zum Abfallsammeln im Quartier.

Start und Ziel ist eine Garage an der Holtener Straße.

Wer mitmachen will, kann sich an Johannes Hüttemann wenden. Er ist erreichbar unter 0179-5253741 oder per E-Mail an info@sauberesaltendorf.de.

In den vergangenen acht Jahren haben Hüttemann und seine Samstags-Teams rund 400 Mal tatkräftig in Altendorf aufgeräumt. Pro Jahr sind das etwa 50 Einsätze.

„Es gibt in Altendorf so schöne Ecken“, schwärmt Hüttemann. Der 73-Jährige wünscht sich, dass Menschen aus anderen Stadtteilen das Positive entdecken. „Hier ist so viel Grün, das zu Spaziergängen einlädt.“ Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsanbindungen seien attraktiv. Aber leider werde der Stadtteil immer über seinen schwächsten Teil definiert.

Sie fühle sich in Altendorf nicht von Kriminalität bedroht, betont Claes. Der schönste Lohn sei ihr das Dankeschön von Passanten. Im Film schenkt ihr dies eine Frau, die sie mit der Greifzange bei den Containern trifft.

Ausgestattet mit dem Trolley von „Altendorfs Bürger engagieren sich“

Regen, Kälte oder große Hitze halten die frühere Richterassistentin am Landessozialgericht nicht von ihrem Ehrenamt ab. Und sie weiß, dass ihre Tätigkeit bei vielen Verwunderung auslöst. Wer ziehe schon freiwillig mit der schweren Karre um die Häuser? Hüttemann pflichtet ihr bei: „Man ändert nur etwas, wenn man selbst anfängt“, ist seine Ansicht.

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So hat er Claes gern mit dem offiziellen Trolley von „Altendorfs Bürger engagieren sich“ ausgestattet, damit sie in Eigenregie im Viertel aufräumen kann. Wo sonst die Einkaufstasche sitzt, ist ein Wäschekorb aus Kunststoff mit Transportgummis auf dem fahrbaren Metallgestell befestigt. Flaschen sammelt die gebürtige Greifswalderin übrigens nicht. Die lässt sie für Bedürftige stehen, die vom Pfand leben.

Künstliches Gewässer an der Radtrasse ist ein begehrtes Ausflugsziel

Oft sitzen die Helfer nach der samstäglichen Müll-Sammlung bei einem Getränk zusammen. Etwa im Café an der Uferpromenade am Niederfeldsee.

Und die ist für Brigitte Claes – nach dem Blick aus ihrer Küche auf den wirklich idyllischen Spielplatz – „der schönste Ort der Welt.“ Das künstliche Gewässer an der Radtrasse ist ein begehrtes Ausflugsziel. „Ich komme jeden Tag hierher und fühle mich wie im Kurpark.“

Noch ist völlig offen, wann und wo die ansprechende Doku „Sauberzauber in Essen-Altendorf“ von Pfarrer Knopp gezeigt werden darf. Wegen der Hygiene-Auflagen wurde die Filmpremiere in der Christuskirche verschoben. „Vielleicht hat ja jemand eine Idee“, hoffen alle Beteiligten. Schön wär’s!

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