Essen. Kochbücher verkaufen sich so gut wie seit Jahren nicht mehr. Ganz vorne dabei sind Titel zu gesunder Ernährung. Ihr Anteil liegt in Essens Buchläden inzwischen bei bis zu 40 Prozent. Titelbilder mit vollschlanken Schnurrbartträgern, die einen Teller voller Rouladen präsentieren, gibt es dagegen so gut wie gar nicht mehr.
Man muss nur in die Regale der Buchhändler schauen, um zu sehen, welche Titel derzeit besonders gefragt sind. Vor allem mit Kochbüchern lässt sich seit einigen Jahren offenbar wieder richtig Geld verdienen. Doch die Zeiten, in denen vollschlanke Schnurrbartträger einen randvoll beladenen Teller mit Rouladen in die Kamera halten, sind mehr oder weniger vorbei. Katrin Schlüter, Buchhändlerin bei Thalia im Limbecker Platz, geht in die Hocke und zieht zwei Bücher aus dem Regal, um den Generationenwechsel zu verdeutlichen: In der rechten Hand hält sie einen echten Klassiker – das „Schulkochbuch von Dr. Oetker“ – mit gleich drei Rouladen auf dem Titelbild. Der andere, deutlich jüngere Ernährungsband trägt den fast schon witzigen Titel „Wald- und Wiesenkochbuch“.
„So ein Buch wäre früher gar nicht möglich gewesen“ sagt die 37-Jährige, die seit 15 Jahren als Buchhändlerin arbeitet. „Über einen langen Zeitraum waren exotische Länderküchen gefragt, jetzt wollen die Kunden wieder marktfrisches, regionales Essen.“ Schlüter schätzt den Anteil der „gesunden Kochbücher“ auf circa 40 Prozent. Ein enorm hoher Wert, der aber vermutlich noch vorsichtig geschätzt ist. Zumindest ist das der Eindruck, den man erhält, wenn man bis in die oberste Etage der Mayerschen Buchhandlung am Markt fährt. Gleich hinter der Rolltreppe warten ganze Wände voll mit Kochbüchern und Ernährungsratgebern. Auf den Präsentiertischen finden sich aber ausschließlich Bücher zu veganer Ernährung und Gemüsegerichten.
Zum Yoga-Workshop nach Ibiza
„Gesunde Ernährung ist ganz stark auf dem Vormarsch. Der ganze Kochbuchmarkt hat extrem angezogen“, erklärt Buchhändlerin Dagmar Küchler. Die 56-Jährige nimmt ihr Lieblingskochbuch in die Hand, schlägt es in der Mitte auf und sofort wird deutlich, was ihr und vielen Kunden daran besonders gut gefällt: Auf der linken Seite sieht man alle Zutaten, die für ein bestimmtes Gericht benötigt werden. Sehr ästhetisch fotografiert, mit einem authentischen Hintergrund. Auf der rechten Seite sieht man das fertige Gericht. Der Text beschränkt sich auf wenige Sätze.
„Die Autorin ist gleichzeitig auch die Fotografin. Und sie hat auch einen Ernährungsblog im Internet“ berichtet Küchler. Offenbar ist das inzwischen der Normalfall, wie auch Katrin Schlüter bestätigt. Einige Köche laden sogar zum Yoga-Workshop nach Ibiza, andere tingeln durch die Republik und kochen für karitative Zwecke oder noch lieber fürs Fernsehen. Volker Mehl ist Teil dieser neuen Kochgeneration. Auf dem Titelbild zu seinem aktuellen Buch präsentiert sich der stark tätowierte Wuppertaler auf dem Kartoffelacker – im Unterhemd und in jeder Hand frisches Gemüse, an dem noch ein bisschen Erde klebt.
Kritische Medienberichte
Dem Titel nach geht es in „So schmeckt Glück“ auch gar nicht um Kochrezepte, sondern um ein ausgeglichenes Lebenskonzept. Und genau damit trifft Mehl den Zeitgeist. Denn auch Buchhändlerin Dagmar Küchler berichtet, dass sie bis noch vor ein paar Jahren „immer aus der Knorr-Tüte gekocht“ habe. „Inzwischen habe ich rund 300 Kochbücher zuhause. Ich nehme mir die Zeit und probiere ein Gericht mehrmals, bis es so schmeckt, wie ich es mir vorstelle.“ Selbst ihr Sohn rufe inzwischen immer häufiger bei ihr an, um sich übers Kochen zu informieren, so Küchler.
„Produkte, die selbst hergestellt werden, sind wieder sehr hoch im Kurs. Das gilt fürs Kuchen backen, aber auch für Marmelade und Kräuter aus dem eigenen Garten.“ Katrin Schlüter von der Thalia Buchhandlung hat aber noch eine andere Erklärung für die wachsende Begeister an gesunder Küche. Ihrer Meinung nach habe sich das Bewusstsein für den Wert von Lebensmittel langfristig verändert. Einen großen Anteil daran hätten kritische Medienberichte über die Zustände in Schlachthöfen.
Auch Grill-Titel werden gerne gelesen
„Bei vielen Kunden ist es aber auch gesundheitsbedingt“, sagt Schlüter. „Die Leute klagen seit Jahren über Bauchschmerzen und erfahren plötzlich von ihrem Arzt, dass es sich dabei um eine Laktose-Unverträglichkeit handelt.“ Seit einigen Jahren müssen Buchhändler wie Katrin Schlüter und Dagmar Küchler deshalb immer häufiger Gesundheitsberatung leisten und Fragen zu Allergien und Inhaltsstoffen beantworten. „Natürlich gibt es auch eine Gegenbewegung“, räumt Schlüter ein und holt ein weiteres Buch aus dem Regal. Das „Nutella-Kochbuch“ zeigt, wie man mit der beliebten Haselnusscreme Süßspeisen, Herzhaftes und Saucen kochen kann. Und auch die Grill-Titel werden weiterhin gerne gelesen.
Wenn es aber um reine Verkaufszahlen geht, liegt längst ein veganer Koch auf Platz eins. Attilla Hildmann, der sich gerne nur in Unterwäsche fotografiert, um seinen Wandel vom Dickerchen zum gesundheitsbewussten Ernährungs-Vorbild zu untermalen, hat bereits über eine Million Bücher verkauft.