Essen. . Der vorzeitige Rücktritt von Interimsgeschäftsführer Jochen Sander wirft Fragen auf: Wer will den Job in der Chefetage eigentlich noch übernehmen.
Er hätte warten können. Warten, bis der Neue in wenigen Wochen übernimmt. Doch Jochen Sander hat sich anders entschieden, der von der Stadt bestellte Interimsgeschäftsführer der Entsorgungsbetriebe Essen (EBE), der auch bei der städtischen Holding EVV in einer führenden Position tätig ist, tritt vorzeitig von seinem Posten bei der EBE zurück. Am Tag, nachdem seine Entscheidung den Weg an die Öffentlichkeit fand, herrscht in Kreisen der Politik Ratlosigkeit vor. Sander selbst will sich auf Nachfrage zu seinen Beweggründen nicht weiter äußern. Seinen für viele überraschenden Schritt dürfte er sich sehr wohl überlegt haben.
Einstimmig war Sander von der Politik beauftragt worden, den Skandal bei den Entsorgungsbetrieben schonungslos aufzuarbeiten, woran die Grünen gestern erinnerten. Dass er und der von Mitgesellschafter Remondis gestellte Co-Geschäftsführer Georg Jungen sich für interne Ermittlungen eines privaten Unternehmens bedienten, bezeichnete der Betriebsrat als Spionage. Im Rathaus spricht man von einem Kulturbruch.
Sanders Beweggründe bleiben im Dunkeln
Wer in einem Betrieb aufklären will, in dem persönliche Verflechtungen und Beziehungen quasi zum Geschäftsmodell gehören, kann sich schnell die Finger verbrennen. Als Interimsgeschäftsführer hatte Sander persönlich nichts zu gewinnen. Aber er konnte nur verlieren von dem Moment an, als jene, die ihn beauftragt haben, nicht mehr hinter ihm stehen. Den Spionage-Vorwurf wies die EBE-Geschäftsführung postwendend zurück. Am selben Tag erklärte Oberbürgermeister Reinhard Paß, er werde das Vorgehen der Geschäftsführung rechtlich prüfen lassen. Was darf man davon halten? Für die Grünen erwies Paß sich damit „als Zauderer und Behinderer“, der seinem Anspruch als Aufklärer in keiner Weise gerecht werde. Stattdessen behindere der OB erneut alle Bemühungen, die EBE von ihren Altlasten zu befreien. Der EBE-Geschäftsführung sei Paß mit seiner Stellungnahme in den Rücken gefallen.
Empfand es Interimsgeschäftsführer Jochen Sander ähnlich? Seine persönlichen Beweggründe bleiben vorerst im Dunkeln. Gilt dies auch für den Stand der internen Ermittlungen? Die Linke forderte gestern einen Sachstandsbericht im Finanzausschuss, verbunden mit der Erwartung, dass die Aufklärung von Unregelmäßigkeite nicht auf der Strecke bleiben dürfe.
Die CDU erklärte, der Weg bei der EBE sei frei für einen Neuanfang nach dem Abtritt des langjährigen Geschäftsführers Klaus Kunze, dem Rückzug von OB Paß als Aufsichtsratsvorsitzender und dem Ausscheiden des umstrittenen Betriebsratsvorsitzenden Thomas Altenbeck. Neuanfang? So mancher fragt sich, wer den Chefposten bei der EBE überhaupt noch übernehmen will.