Essen. Ob Straßenfest, Festival oder Grillparty im Park. Wo Kaltgetränke fließen ist auch die Not nach eine Toilette nicht weit. Weil es in Essen an öffentlichen stillen Örtchen fehlt, pinkeln viele Menschen einfach wild - und werden zum Teil erwischt. Die Stadt verhängte im vergangenen Jahr 130 Bußgelder.
Eine Duftmarke zu setzen, gehört für die Hunde, die neben ihren Haltern am Baldeney-See entlang laufen, zum guten Ton. Weniger amüsiert sind viele Spaziergänger allerdings darüber, dass sich zum tierischen Bedürfnis auch menschliche „Bedürftige“ gesellen: Hose runter, Wasser marsch. Wer muss, der muss, denken sich viele – vorwiegend Männer – wenn zur warmen Sommerzeit die Kaltgetränke auf die Blase drücken. „Ekelhaft ist das“, sind da noch die nettesten Ausdrücke, die da am Uferrand zu hören sind.
Doch Wildpinkeln ist in Essen keine (Stadt-)Randerscheinung, auch in der Innenstadt, am Hauptbahnhof und in Rüttenscheid wird sich gerne mal wahlweise hinter dem nächsten Baum, der Kirchenmauer oder in der Seitenstraße erleichtert. Die Konsequenz: 130 Bußgeldverfahren hat die Stadt 2013 eingeleitet. Wer beim öffentlichen Wasserlassen erwischt wird, muss mit einer Strafe zwischen 35 Euro für Ersttäter und bis zu 500 Euro für unbelehrbare Mehrfach-Pinkler rechnen.
Das Ordnungsamt rückt gezielt aus
„Die Stadt hat kein Wildpinklerproblem“, und mache sich daher auch nur bei Großveranstaltungen gezielt auf die Suche nach Toiletten-Verweigerern, möchte Martin Rätzke, Stadtsprecher, betonen: Dennoch sind die zwölf Streifen des städtischen Ordnungsamtes umtriebig, wie der Städtevergleich zeigt: Gladbeck kommt auf 20 Verfahren im Jahr, Gelsenkirchen – trotz des großen Fußballstadions und dessen regelmäßiger Invasion – auf 60.
Essen kommt auf mehr als doppelt so viele: Der Großteil der Wildpinkler wird bei Veranstaltungen ertappt. Besonders bei Essen Original, dem Rü-Fest oder dem Weihnachtsmarkt ist das Problem offensichtlich. Auch die „hiesige Trinkerszene“ sei unter den Bußgeldern häufig vertreten, ergänzt Rätzke. Ein Brennpunkt ist das „Open-Air-Klo“ vor dem Mövenpick-Hotel am Hauptbahnhof, über das diese Zeitung mehrfach berichtete und wo weiter keine Lösung in Sicht ist. Außerdem beschweren sich häufig Anwohner, wenn in Rüttenscheid gefeiert oder zu Festivals eingeladen wird. „Das Ordnungsamt rückt dann gezielt aus“, bekräftigt Rätzke.
Lange Schlangen vor den provisorischen WCs
Ein Grund für das Wildpinkeln ist das Fehlen von öffentlichen Toiletten in der Stadt. Beispiel Innenstadt: Am Hauptbahnhof gibt’s das stille Örtchen nur gegen Bares, in Kaufhäusern mit Kunden-WC müsste eigentlich eingekauft werden. Auch in Rüttenscheid haben die Gastronomen höchstens freies Wi-Fi auf der Karte, nicht aber Urinieren im Angebot. Am Baldeney-See kostet es auch Geld – und Zeit –, am Regattaturm bei gutem Wetter Schlange zu stehen.
Schlange stehen muss man mitunter auch, wenn bei Großveranstaltungen in der Innenstadt provisorische WCs aufgebaut werden. Und nicht einmal die scheinen gegen Wildpinkler zu helfen, wenn „alkoholisierte Besucher die bereitgestellten Toiletten nicht nutzen“, ärgert sich Rätzke.