Essen. Badegäste erheben in Essen schwere Vorwürfe: Ein Mädchen (12) soll im Kettwiger Freibad beinahe ertrunken sein, aber geholfen habe niemand, sagen zwei Besucher: „Wir haben sofort mit der Herzdruckmassage begonnen.“ Stadt wertet derzeit das Unfallprotokoll aus.

Immer wieder fragt Chaban Uka nach, wie es dem kleinen Mädchen wohl geht, das „ich im Kettwiger Freibad vor dem Ertrinken gerettet habe. Ich kriege die Bilder nicht aus meinem Kopf“, sagt er. Das zwölfjährige Kind wurde zur Beobachtung ins Krankenhaus gebracht - mehr weiß er nicht, mehr weiß auch die Polizei nicht.

„Und ich bin immer noch schockiert, dass kein anderer geholfen hat“, sagt der Essener. „Nicht die anderen Leute, die hinter uns auf der Tribüne saßen - und auch nicht wirklich einer der Bademeister.“

Ausbildung als Ersthelfer

Am 22. Juli gegen 16 Uhr passierte es. Chaban Uka saß mit seiner Freundin Alina Brümmer unweit des Beckenrandes, als er sah, „dass ein Schwimmer offenbar den leblosen Körper eines Kindes in den Armen hielt“. Er habe sofort mit der Herzdruckmassage begonnen, als das Kind aus dem Wasser war. Chaban Uka leitet die Filiale einer Möbelkette und „da musste ich vor knapp drei Jahren eine Ersthelferausbildung machen“.

Alle waren irgendwie hilflos

Mittlerweile soll auch ein Mann vom Schwimmbadpersonal zur Stelle gewesen sein, „der hat mich angeschrien, dass ich bloß aufhören solle, so fest zu drücken. Als ich ihm zwei Mal sagte, er solle dafür sorgen, dass das Mädchen Luft bekomme, hat er endlich mit der Mund-zu-Mund-Beatmung begonnen.“ Nach rund einer Minute - so schätzt Chaban Uka - begann das Mädchen Wasser zu spucken. Er brachte es in die stabile Seitenlage, aber „es hat nur ganz schwer Luft bekommen und immer wieder die Augen verdreht. Eigentlich waren alle irgendwie hilflos“.

Bis auf ihn und seine Freundin. Alina Brümmer, sagt er. Sie habe sich auch darum gekümmert, dass der Rettungsdienst alarmiert wurde. Der traf nur wenige Minuten später ein. „Von der Notärztin bekam ich ein dickes Lob. Sie hat sich bedankt und gesagt, dass ich alles richtig gemacht habe.“ Alina Brümmer: „Mein Freund hat diesem Mädchen das Leben gerettet - auch das hat einer der Rettungskräfte gesagt.“

Nun fragen sich die beiden, warum das Badpersonal so wenig hilfreich gewesen sei? Könnten unglückliche Umstände möglicherweise der Grund sein? Chaban Uka: „Einer sagte mir, er sei gerade Wasser holen gewesen, ein andere, dass er dachte, da würden nur Kinder spielen.“

Unfallprotokoll liegt der Stadt vor

Ein Unfallprotokoll liegt der Stadt jetzt vor. Sprecherin Jeanette von Lanken: „Zum Inhalt kann ich nichts sagen. Wir müssen erst abwarten, was die Arbeit der Polizei ergibt.“ Die sucht derzeit nach weiteren Zeugen. Wer am Dienstag, 22. Juli, gegen 16 Uhr im Kettwiger Freibad war und den Unfall beobachtet hat, soll sich melden unter der Telefonnummer 0201 82 90.

Chaban Uka und Alina Brüning haben auf der Wache in Kettwig ihre Aussage zu Protokoll gegeben. „Eigentlich wollten wir ja Anzeige wegen unterlassener Hilfeleistung erstatten“, sagt Alina Brümmer. Ihr Freund ist verbittert: „Ich habe von den Leuten noch nicht einmal ein Danke gehört. Das Größte war, dass sie uns für den nächsten Tag Freikarten geben wollten - weil wir ja nur so kurz im Bad waren.“