Essen. DGB-Haus, Hauptschule Bärendelle und jetzt ein leer stehendes Bürogebäude von Thyssen-Krupp: Die Forderung des Künstlerkollektivs nach mehr Freiraum bleibt ebenso gleich wie seine Methode. Gerade von dieser Szene sollte man aber etwas mehr Kreativität erwarten, um eine langfristige Lösung zu finden.

Erst das DGB-Haus im Kulturhauptstadt-Sommer 2010, dann die ehemalige Hauptschule Bärendelle, jetzt ein leerstehendes Thyssen-Krupp-Bürogebäude: In schöner Regelmäßigkeit und unter immer neuen Namen besetzt ein Kollektiv aus frei schaffenden Künstlern die Brachen dieser Stadt. Die Forderung der Gruppe ist dreist: Neben dem Schlüssel fordern sie von Thyssen-Krupp die Einrichtung sanitärer Anlagen, die Versorgung mit Strom, ach, und noch finanzielle Unterstützung durch die Krupp-Stiftung. Fürs Folkwang war schließlich auch Geld da, so die Argumentation.

Richtig ist: Eine bunte Kulturmetropole wie Essen braucht die freie Szene, Querdenker und Lebenskünstler. Ein vor vier Jahren angestoßener Dialog mit der Initiative Freiraum unter Moderation von Ruhr.2010-Macher Oliver Scheytt scheiterte, leider. Denn Leerstand gibt es zwar genug, fürs Geld gilt das leider nicht. Insofern sollten sich die Hausbesetzer endlich die für sie unliebsame Frage der Wirtschaftlichkeit stellen. Überlegen, wie sie aus eigener Kraft einen solchen Freiraum finanzieren könnten. Fördertöpfe für Kultur gibt es genug – wenn man denn ein stichhaltiges Konzept vorlegt.

Anzeige statt Sponsoring

Und dann wäre da noch die Privatwirtschaft, deren Engagement für Kunst und Kultur gerade in Essen ziemlich große Bedeutung beikommt. Gerade in der freien Szene wird hinter vorgehaltener Hand aber gerne geächzt, man wolle sich nicht zur Marionette oder zum Leuchtturm von Großkonzernen machen. Wer dann noch deren Gebäude ungefragt besetzt, darf sich nicht wundern, wenn er statt Sponsoring eine Anzeige kassiert.

Hausbesetzung durch Künstlerkollektiv

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    Wie ein solches Konzept aussehen kann, zeigt das Kunsthaus an der Rübezahlstraße. Seit seiner Gründung 1977 initiiert es bemerkenswerte Ausstellungsprojekte und finanziert sich dabei durch Mitgliedsbeiträge, Einnahmen aus Veranstaltungen und Vermietungen sowie mit Fördermitteln des Kulturbüros und diverser Stiftungen.

    Stadt und Wirtschaft könnten Leerstände besser nutzen

    Im Kern ist die Kritik der Besetzer völlig berechtigt: Tatsächlich könnten Stadt und Wirtschaft ihre Leerstände viel besser nutzen – sie zu menschenwürdigen Asylunterkünften ausbauen, seniorengerechte Wohnungen schaffen oder eben auch Raum für die freie Kunst bieten. Mit Aktionen wie der gestrigen sorgen die Künstler kurzfristig für Aufmerksamkeit, angesichts eines massiven Polizeiaufgebots aber nicht für breite Akzeptanz. Um ihr Ziel zu erreichen, sollte es gerade in dieser Szene einen kreativeren Ansatz geben, als ständig neue Häuser zu besetzen.