Essen. . „Wirtschaft! Wunder!“ – eine Foto-Ausstellung in der Villa Hügel zeigt das Unternehmen Krupp im neuen, hellen Licht der Nachkriegszeit. Die Bilder strahlen lauter Optimismus und Freude an Modernität aus. Und manche sprechen schon eine neue, ungewohnte Foto-Sprache.

Das größere Wunder war vielleicht, dass Alfried Krupp von Bohlen und Halbach schon im Januar 1951 vom Hohen Kommissar John McCloy begnadigt wurde – nachdem er 1948 erst bei den Nürnberger Kriegsverbrecher-Prozessen zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden war. Dagegen machte der Wiederaufbau der zu 70 Prozent zerstörten Produktionsanlagen von Krupp und der steile Aufschwung, der die Einkommen innerhalb von 15 Jahren verdoppelte, zwar Staunen; aber selbst für Ludwig Erhardt, das Fleisch und Zigarrenrauch gewordene Wirtschaftswunder, folgte der Boom in der jungen Bundesrepublik der wirtschaftlichen Logik.

„Wir verdienen unser Geld auch so“

Die 50er-Jahre mit ihren Nierentischen und Tütenlampen veränderten aber nicht nur die deutschen Wohnzimmerlandschaften, sondern die Strategie von Industrieunternehmen wie Krupp. Man öffnete die Villa Hügel für Kunstausstellungen (die erste mit dem Titel „Kunstwerke aus Kirchen-, Museums- und Privatbesitz“ hatte 1953 sagenhafte 400 000 Besucher) oder Modenschauen von Dior. Und immer dabei: die Kameras. Wie nah, wie modern, wie werbewirksam, das zeigt jetzt die Kabinetts-Ausstellung „Wirtschaft! Wunder!“ mit 114 Aufnahmen in der Villa Hügel.

Zur Ausstellung

In der Villa Hügel ist nur ein Bruchteil der Fotografien der insgesamt 300 000 Fotografien aus den 50er- und 60er-Jahren im Krupp-Archiv.

„Wirtschaft! Wunder!“, Villa Hügel, Hügel 15, 45133 Essen. Bis 23. November, tgl. außer Mo 10-18 Uhr, Eintritt: 5 Euro, für Kinder unter 14 frei.

Krupp hatte die Bedeutung der Bilder ja früh erkannt und 1861 den ersten Fotografen eingestellt. In den 50er- und 60er-Jahren aber, als der „Spiegel“ Krupp aufs Titelblatt hob mit den Worten „Wir verdienen unser Geld auch so“ – auch ohne Kanonen, änderte sich auch die Bildsprache des Unternehmens. Krupp war immer noch darauf bedacht, gut dazustehen, wurde aber offener, auch für werksfremde Fotografen: namhafte Lichtbildner von der legendären Pariser Agentur Magnum wie Erich Lessing oder René Burri, Albert Renger-Patzsch und der amerikanische Starfotograf Fritz „Mr. Rollei“ Henle. Sie wurden erst für Illustrierten-Berichte nach Essen geschickt – und bekamen anschließend ein ums andere Mal Aufträge von dem Unternehmen, das Alfried Krupp und sein neuer Generalbevollmächtigter Berthold Beitz für kurze Zeit noch einmal zum umsatzstärksten in ganz Deutschland machten.

Die junge Frau im Ferritmessraum

So sieht man grandios fotografierte Bilder von der Rheinhauser Rheinbrücke, die durch Krupps Schließung eines Tages zur „Brücke der Solidarität“ werden sollte, oder aus der Kantine, Berthold Beitz im offenen Käfer-Kabrio mit dem österreichischen Vizekanzler Pittermann, glühend heißen Stahl in der Schmiede, Ingenieure im Kittel auf einer fast fertigen Diesellok V 60 und Jugendliche, die auf der monumentalen Schiffsschraube von 1935 herumturnen, die auch heute noch im Park der Villa Hügel steht. Ein Schnappschuss, ähnlich wie das einzige Bild aus einer „Menschen am Arbeitsplatz“-Serie von Robert Lebeck, das nicht gestellt wirkt: Die junge Frau im Ferritmessraum von Widia blickt so gar nicht so, als würde sie Ferrit messen wollen...

Der Bilderbogen in der Villa Hügel von den englischen Besatzungs-Offizieren an Krupps Bar über die Bilder aus der „Konsum-Anstalt“ bis zum Staatsbesuch des thailändischen Königs Bhumibol und der Königin Sirikit illustriert die schöneren Seiten der Zeit; wer sein Bild davon vervollständigen möchte, müsste anschließend noch ein paar Kilometer weiter fahren, zur Zeche Zollverein, wo die seinerzeit viel kritisierten Fotos von Chargesheimers Bildband „Im Ruhrgebiet“ ausgestellt sind, bis zum 18. Januar.