Essen. Weil der 18 Tage alte Säugling schrie und ihn beim PC-Spiel störte, schlug sein Vater ihn laut Anklage so heftig, dass sein Sohn wenige Tage später starb. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage von Totschlag aus. Vor fünf Jahren hatte er dem Baby einer Freundin den Arm gebrochen.

Babys können nicht reden. Sie schreien, wenn ihnen etwas nicht passt, wenn sie Schmerzen verspüren. Aber diese natürliche Reaktion bezahlte der kleine Leon aus Essen mit dem Leben. Weil der 18 Tage alte Säugling seinen Vater beim nächtlichen PC-Spiel störte, schlug der 26-Jährige seinen Sohn derart fest auf den Kopf, dass Leon wenige Tage später starb. Auf Totschlag lautet die Anklage gegen Marcel B., die jetzt von der Staatsanwaltschaft beim Schwurgericht erhoben wurde.

Das Motiv der Tat hatte Marcel B. bei seiner polizeilichen Vernehmung selbst genannt. Die Mutter des Kindes habe in der Nacht zum 6. Mai geschlafen, und das Kind sei nicht zu beruhigen gewesen. Er habe sich genervt gefühlt, weil er an PC-Spielen im Internet teilnahm. Und online könne man keine Pause-Taste drücken, erklärte er den Beamten. Ruhig stellen wollte er das Kind, behauptete er, nicht töten.

Lügen bei der ersten Vernehmung

Marcel B. und seine Freundin riefen zwar beide den Notarzt, als es Leon immer schlechter ging. Die beiden tischten den Vernehmern aber zunächst Lügen auf. Die 24-Jährige erzählte der Polizei von einem frei erfundenen „Axel“, der der Vater des Kindes sei.

Als die Beamten Marcel B. festnahmen, berichtete er von einem Unfall. Beim Füttern sei ihm Leon vom Arm gefallen. Er habe das nicht als Problem angesehen. Denn in dem Buch „Bekenntnisse eines Säuglings“ hätte gestanden, dass Stürze für Babys ungefährlich seien.

Den Tod billigend in Kauf genommen

Die Anklage geht von zwei Schlägen aus. Da die Schädelknochen eines Babys elastisch seien, ließen sich die Verletzungen am Kopf nur durch heftige Gewalt, etwa Faustschläge, erklären. Einen direkten Tötungsvorsatz unterstellt Staatsanwältin Birgit Jürgens ihm nicht. Er habe aber den Tod seines Sohnes zumindest billigend in Kauf genommen. Verteidiger Volker Schröder widerspricht: „Er hätte nie gedacht, dass Leon deshalb stirbt.“

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Gewalt gegen Kinder kennt Marcel B. nach eigenen Worten aus der Kindheit. Sein leiblicher Vater? Keine Erinnerung. Das Verhältnis zu seiner Mutter sei gestört gewesen. Mit einem Gürtel habe sie ihn geschlagen, auch ihr Lebensgefährte habe geprügelt. Als er sieben Jahre alt war, habe seine Mutter ihn und seinen Bruder aus dem Haus geworfen, zeitweise lebte er im Heim.

Vom Gymnasium geflogen

Seine Biografie kennt mehrere Brüche. Zunächst besuchte er das Gymnasium, schwänzte aber zu oft. An der Hauptschule machte er einen Abschluss, fing aber keine Ausbildung an. Mit der heute 24-Jährigen lebte er in Altenessen-Süd zusammen. Mit ihr bekam er Leon.

Fünf Jahre zuvor hatte Marcel B. in Frohnhausen mit einer Frau zusammengelebt, auf deren Kind aus einer anderen Beziehung er aufpasste. Als sie sich in der Nachbarwohnung mit einer Freundin aufs Abitur vorbereitete, brach er nach Überzeugung des Amtsgerichtes dem fünf Wochen alten Kind den Arm. Weil Marcel B. die Tat damals bestritt, legte sich das Gericht nicht aufs Motiv fest. Amtsrichter Rolf Märten ging aber von einer psychischen Überforderung des erst 21-Jährigen aus. Zwei Jahre Haft mit Bewährung gab es. Bewährung, weil eine solche Überforderungssituation „nicht mehr eintreten wird“.