Essen. . Der Psychologe Prof. Thomas Kliche betreut die Glascontainer-Sendung von ProSieben auf dem Essener Burgplatz. Er erklärt, was mit dem Experiment aufgezeigt werden soll.
Das ProSieben-TV-Experiment mit dem Menschen, der eine Woche im Glaskasten auf dem Burgplatz lebt, hat Halbzeit. Wir sprachen mit dem Psychologen Prof. Thomas Kliche, der das Projekt und den Bewohner Thilo Mischke betreut.
Herr Kliche, Sie begleiten das Projekt wissenschaftlich. Wie schlägt sich Thilo Mischke?
Prof. Thomas Kliche: Gut. Es ist eine besondere Situation über einen langen Zeitraum von einer Woche mit einem Bombardement von Kommunikation und totale Überwachung. Thilo Mischke kann 24 Stunden beobachtet werden. Er wird zugeballert, ja beherrscht von Anfragen, die er beantworten will. Er möchte den Erwartungen gerecht werden und ist damit fremdgesteuert.
Sehen Sie bei Veränderungen bei ihm?
Kliche: Er schläft, trinkt und isst nicht regelmäßig. Er passt sich aber an die unvertraute Umgebung und Situation an. Sollte es einen Lagerkoller geben, brechen wir ab.
Unterscheidet sich das Format von Container-Sendungen Big Brother?
Kliche: Ja, in zwei wesentlichen Punkten. Die Einsamkeit, in der Thilo Mischke lebt. Es fehlt jegliche Gruppendynamik, er ist auf sich allein gestellt. Und die völlig offene Interaktion mit der Außenwelt. Die gibt es bei Big Brother oder dem Dschungelcamp nicht.
Wird die von Zuschauern genutzt?
Kliche: Ja. Sie sagen „Wink mal“ und sehen, wie er winkt. Die Sendung und das Experiment zeigen, wie Einzelne manipuliert werden können. Junge Menschen bauen im Netz mehr und mehr parasoziale Beziehungen auf. Diese können die Persönlichkeit verändern. Die Jugendlichen müssen lernen, auch echte soziale Beziehungen zu entwickeln, Gespräche zu führen, Gedanken auszutauschen.
Was droht sonst?
Kliche: Unser Selbst wird nur noch auf andere Menschen ausgerichtet. Wir wollen Wünschen und Erwartungen genügen, wollen zur Gesellschaft gehören, passen uns an, werden bequemer, treffen keine Entscheidungen und übernehmen andere Meinungen. Es droht Konformismus.
Was lehrt uns Ihrer Meinung nach das Essener Experiment noch?
Kliche: Es hat eine Botschaft: Lasst euch nicht überwachen. Wir haben keine Idee, was mit unseren Daten passiert. Es ist, als ob eine Kopie unserer selbst existiert. Die kann gezielt verwendet werden. Wir sind greifbarer. Und angreifbarer. Für Werbung. Für politisches Marketing. In Stadtteilen mit sozialen Brennpunkten oder in der Nähe von Asylbewerberheimen können gezielt Menschen angesprochen werden. So kann man Stimmung machen.