Essen/Herne. . Am Donnerstag um 4.45 Uhr sollen sie zurück: Ein Ehepaar aus dem Iran lebt seit dem letzten Herbst im Weigle-Haus der evangelischen Kirche. Das Paar hatte zuvor in Schweden einen Asyl-Antrag gestellt, offenbar ohne Erfolg. Die Rechtslage ist eindeutig. Doch Kirchenasyl zu brechen, gilt als Tabubruch.

Bei Flüchtlingsgeschichten spielen kirchliche Einrichtungen manchmal eine besondere Rolle – wer dort Unterschlupf findet, kann in den Genuss eines „Kirchen-Asyls“ kommen. „Kirchen-Asyl“ ist zwar keine justiziable Kategorie, die einem gerichtlichen Verfahren standhalten würde, aber: Ein Kirchen-Asyl zu ignorieren, kommt in etwa einem Tabubruch gleich.

Shohreh H. (37) und Seyed M. (35), ein Ehepaar aus Teheran, droht am Donnerstagmorgen die Abschiebung. Sie haben im evangelischen Weigle-Haus (Stadtmitte) seit dem vergangenen Herbst Zuflucht gefunden. „Sie hatten sich in ihrer Heimat politisch als Christen engagiert“, berichtet Weigle-Pfarrer Rolf Zwick. „Deshalb mussten sie flüchten, ihr Leben war in Gefahr.“ Sie flohen aus Teheran, kamen in Schweden an, beantragten dort Asyl. Wie das Verfahren dort ausging, ist derzeit offiziell nicht bekannt, womöglich läuft es noch. Offiziellen Angaben zufolge heißt es: „Das Ehepaar hat in Schweden bereits ein Asylverfahren laufen oder abgeschlossen.“ Fest steht jedenfalls, dass das Paar weiterzog nach Deutschland, es kam in Herne an, dort wurde es offiziell gemeldet, dort hat es eine Adresse. In Herne stellten beide einen Asyl-Antrag, der wurde aber für unzulässig erklärt, weil das Verfahren in Schweden noch laufe. Sie kamen nach Essen, weil hier Verwandte leben.

Eine Anordnung des Bundesamtes für Migration

Die internationale Rechtslage ist so: Wer in einem Land Asyl beantragt, muss so lange warten, bis das Verfahren abgeschlossen ist und darf nicht weiterziehen. So soll ein Hinauszögern verhindert werden.

Am Mittwochmorgen ging deshalb ein Fax der Stadt Herne im Weigle-Haus ein: Angekündigt wird die „Rückführung nach Schweden“, die bereits im Februar angeordnet worden war. Im Fax heißt es: „... dass sie sich am 24. 07. 2014 ab 4.45 Uhr vor ihrer Wohnung (in Herne, d. Red.) zur Abholung bereithalten sollen.“ Andererseits droht die Festnahme. Die Stadt Herne argumentiert so: Die Abschiebung nach Schweden sei eine Anordnung des Bundesamtes für Migration; ein Eilverfahren zur Aussetzung der Abschiebung sei bereits „abschlägig beschieden“ worden. „Per Flieger nach Kopenhagen wird das Ehepaar zurückgeführt.“ Der Lebensunterhalt in Schweden sei sichergestellt, „in keiner Weise besteht Gefahr für Leib und Leben“.

Die Stadt Herne hatte die Stadt Essen um Amtshilfe gebeten, doch aus der hiesigen Verwaltung heißt es offenbar hinter vorgehaltener Hand: „Wir gehen doch nicht morgens um 4.45 Uhr in eine kirchliche Einrichtung und holen jemanden da ‘raus.“ Erst ein Mal in NRW hat eine Behörde ein Kirchen-Asyl ignoriert, das war 2003 in einem Schwalmtaler Kloster, eine kurdische Familie wurde abgeschoben, es gab viel Aufregung. Einen Tabubruch will Essen wohl vermeiden. Jetzt kann Herne nur hoffen, dass das Paar freiwillig aus seinem Domizil kommt. Das Kirchen-Asyl, teilt Herne am Mittwochabend mit, wolle man nicht brechen.