Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben: Vier Monate ist es jetzt her, dass die Politik ein von der Stadt ausgearbeitetes Standortkonzept für Asylheime ohne lange Debatte vom Tisch fegte. Es gab damals Kritik an den hohen Kosten und einzelnen Standorten, Zweifel an den eigenen Vorgaben für die Sozialverwaltung und nicht zuletzt die Sorge, das Flüchtlingsthema könnte zum alles beherrschenden Thema im Wahlkampf werden – mit spürbarem Rückenwind für rechtsgerichtete Parteien.
Jetzt kommt die Asyl-Frage erneut auf die politische Agenda, und der Entscheidungsdruck ist höher denn je. Wer gedacht hatte, das Flüchtlingsthema könnte sich wenigstens in Teilen von selbst erledigen, sieht sich bis auf weiteres getäuscht.
Zwar hat die Stadt in den städtischen Unterkünften noch einige Betten frei, weil dort Ende 2013 rund 990 Personen lebten und Ende Mai 2014 nur insgesamt 884 Bewohner gezählt wurden. Doch in den nächsten Wochen, so warnt Sozialdezernent Peter Renzel, dürfte die Zahl der nach Essen zugewiesenen Flüchtlinge spürbar anschwellen – nach letzten Hochrechnungen auf mehr als 2.400 Personen. Von denen kehren bis Ende des Jahres erwartungsgemäß nur etwa 250 in ihr Heimatland zurück, weitere 250 können mutmaßlich in Wohnungen vermittelt werden. Unterm Strich bleiben damit gut 1.900 Asylbewerber, die unterzubringen sind.
Erforderlich wären dafür rund 840 neue Plätze, und die stampft man nicht über Nacht aus dem Boden. Schon jetzt scheint deshalb klar: Sollten die vorausgesagten Zahlen zutreffen, wird es im Spätsommer und Herbst womöglich unumgänglich sein, Turnhallen als Notunterkünfte herzurichten. „Das kann uns passieren“, räumte Renzel gestern ein, um gleich hinterherzuschieben, dass „das nicht das ist, was wir unter einer menschenwürdigen Unterbringung verstehen“.
Dazu sind vielmehr neue Asylheime geplant, sieben an der Zahl, deutlich größere als noch im Februar, um möglichst wirtschaftlich zu arbeiten. Standorte unter 100 Personen etwa fielen direkt durchs Raster. Eine andere Besonderheit: Indem die Politik die von ihr selbst formulierten Kriterien aufweichte und auch Asylheime abseits der üblichen Siedlungsbereiche für denkbar erklärte, hat die Sozialverwaltung den Blick nun vor allem auf den Süden gerichtet.
Mit dem Ergebnis, dass sich unter den 27 zusätzlich begutachteten Flächen gleich fünf in landschaftlichem Idyll fanden: am Stauseebogen in Heisingen, am Staadt in Werden, am Overhammshof in Fischlaken, an der Wallneyer Straße in Schuir und an der Ruhrtalstraße in Kettwig. Hinzu kommen noch zwei ehemalige Sportplätze am Pläßweidenweg in Horst und an der Hubertstraße in Frillendorf.
Auf all diesen Flächen sollen Container-Dörfer errichtet werden – mit einer kalkulierten Lebensdauer von 30 Jahren. Verabschiedet hat man sich damit vom noch im Februar favorisierten Bau von Gebäuden in massiver Modulbauweise, die bis zu 60 Jahre haltbar, aber eben auch spürbar teurer gekommen wären. Statt rund 40 Millionen Euro will die Stadt nun mit knapp 27 Millionen auskommen.
Diese neuen Asylheime stehen allerdings frühestens im nächsten Jahr zur Verfügung, was aufwendige Zwischenlösungen erforderlich macht. Dazu ist geplant, drei ehemalige Schulen zu Behelfsunterkünften für insgesamt 330 Menschen umzubauen: an der Tiegelstraße im Nordviertel, an der Hatzperstraße in Haarzopf und an der Kapitelwiese in Stoppenberg.
Darüber hinaus sollen für eine Übergangszeit 510 Plätze in angemieteten Containern bereitgestellt werden, und zwar auf dem Gelände des mittlerweile abgerissenen Jugendzentrums an der Papestraße in Holsterhausen, an der Rauch-/Prosperstraße in Dellwig, auf dem Schulgrundstück an der Hatzper-straße in Haarzopf und auf dem Areal des ehemaligen Kutel in Fischlaken. Geplante Dauer dieser Provisorien: bis Spätsommer 2015.