Essen. Sie kommen aus Harvard, Princeton und dem MIT, ihr Ziel: das Ruhrgebiet. Die Region zwischen Duisburg und Dortmund wird für US-Elite-Studenten immer beliebter. 14 von ihnen konnten in einem zweimonatigen Fellowship des Initiativkreis Ruhr nun mit dem Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet vertraut machen.

Wer an US-Elite-Universitäten studiert, hat meist schon viel von der Welt gesehen – wie Jacqueline Li: In England ein Collegejahr, der Wohnsitz der Familie in Hongkong, aktuell ein Studium der Ingenieurwissenschaften an der Princeton-Universität in New Jersey – und gerade erst die Semesterferien dazu genutzt, das Ruhrgebiet zu bereisen. Moment, das Ruhrgebiet? Genau: Das Revier wird für Akademiker von wissenschaftlichen Ausnahmestandorten wie Princeton, Harvard oder dem MIT immer beliebter.

So haben sich für ein zweimonatiges „Fellowship-Programm“ des Initiativkreis Ruhr (IR), einer Mischung aus Praktikum und Uni-Schnupperkurs, dieses Jahr fünfmal mehr Studenten beworben, als in Firmen wie Evonik, Hochtief oder ista untergebracht werden konnten. Dort lernen 14 Studenten noch bis Ende des Monats den Wirtschaftsstandort Ruhrgebiet kennen, ehe sie später „als Botschafter der Region in der Welt dienen sollen“, so IR-Geschäftsführer Dirk Opalka.

Revier hat einen guten Ruf im Ausland

Eine von ihnen ist die 20-jährige Li, die bislang kaum Berührungspunkte nach Essen hatte. Warum sie sich dennoch bewarb? „Das Ruhrgebiet hat einen guten Ruf. Gerade die vorbildhafte Umwandlung von alter Industrielandschaft hin zu neuen Unternehmen, ist auch außerhalb Deutschlands bekannt“, referiert die 20-Jährige. Um den Ruhri-Neulingen das Einleben zu erleichtern, halft ihnen Florian Vollweiler, Mitarbeiter im akademischen Auslandsamt der Uni Duisburg-Essen: „Die Studenten haben sich in den ersten Wochen durch Sprachkurse und Exkursionen kennen gelernt.“ Gemeinsam ging es ins Ruhrmuseum, in die Arena auf Schalke, in einen Chemiepark von Evonik und zu einer Grubenfahrt in der Zeche Prosper Haniel. Reichlich Kohlenpott-Klischees also.


„Ich dachte, das Ruhrgebiet sei grau und voller Industrie“, gibt so auch Harvard-Student Matthew Pasquini offen zu. Doch die Vorurteile waren schnell passé. Denn: „Es erstaunt, wie viel Natur und Kultur es hier zu entdecken gibt.“ Auch sonst haben die Studenten eine Menge neuer Erfahrungen machen können. Die wohl angenehmste davon mag der „German-Feierabend“ gewesen sein. Li und Pasquini klären auf: „Während der Arbeitszeit wird in Deutschland konzentrierter gearbeitet. Dafür hat man am Feierabend wirklich Freizeit für sich und seine Freunde und muss nicht noch Emails beantworten oder Projekte ausarbeiten.“ Auch ihre Botschafter-Funktion nehmen die beiden jetzt schon wahr. Pasquini: „Wenn ein Amerikaner einen Ausflug nach Europa machen will, werden immer nur Berlin oder München als Reiseziele genannt. Ich rate jetzt immer, dass man unbedingt auch Essen besuchen soll.“

Auch die Unternehmen sind begeistert

Matthew Pasquinis Eintrittskarte in die mittlerweile dritte Auflage des Programms, das den angehenden Physiker und Wirtschaftsstudenten zum Energiedienstleister „ista“ führte, waren auch seine guten Deutsch-Kenntnisse. Die hatte er sich bereits während seiner College-Zeit angeeignet, immer mit seinem späteren Ziel vor Augen: „Deutsch sprechen zu können, ist wahnsinnig vorteilhaft, wenn man später einen Ingenieurs-Beruf aufnehmen möchte.“

Das sah auch das Rüttenscheider Unternehmen so und wählte Pasquinis aus dem Bewerberpool aus. Ein Volltreffer, machte sich besonders seine Eigenständigkeit so gut, dass ista-Forschungsleiter Gerhard Niederfeld kaum aus dem Schwärmen herauskommt. „Von deutschen Studenten können wir eine solch großes Maß an Eigenverantwortung leider gar nicht erst erwarten.“ Sein Fazit nach zwei Monaten: durchweg positiv. Und: „Wir konnten herausfinden, ob wir Elite-Studenten eine Plattform bieten können.“

Doch auch Pasquinis Eindrücke von der Uni Duisburg-Essen, die in diesem Jahr die Betreuung der Studenten übernahm, hören sich aus dem Mund des Harvard-Studenten wie ein Loblied an: „Hier wird sehr spezialisierter gelehrt und durch die Nähe zu den Industrieunternehmen ist die Uni ein guter Ort, um einen technischen Beruf zu erlernen.“